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Gaza-Krieg: Israels Soldaten zur Brutalität gedrängt

Erneut haben israelische Soldaten schwere Vorwürfe gegen ihre Militärführung erhoben. Sie seien dazu ermutigt worden, willkürlich zu töten.

Die israelische Organisation "Breaking the silence" ("Das Schweigen brechen") hat 54 anonyme Aussagen von 30 israelischen Soldaten veröffentlicht, die an der dreiwöchigen Militäroffensive "Gegossenes Blei" Ende Dezember beteiligt waren. Sie gaben an, oberstes Gebot sei es gewesen, die Opfer unter den eigenen Soldaten so gering wie möglich zu halten, um die öffentliche Unterstützung für die Operation nicht zu gefährden. Daher seien die Soldaten von ihren Kommandeuren gedrängt worden, im Zweifelsfall lieber zu schießen, auch wenn nicht klar gewesen sei, ob es sich beim Opfer um einen Zivilisten gehandelt habe.

"Besser einen Unschuldigen treffen als dabei zu zögern, einen Feind ins Visier zu nehmen", erklärte ein namentlich nicht genannter Soldat. "Wenn Du nicht sicher bist, töte!", beschrieb ein anderer Soldat das Vorgehen im Gaza-Krieg. "Die Feuerkraft war enorm. Wir haben einfach damit begonnen, verdächtige Orte zu beschießen. Im Häuserkampf ist jeder dein Feind. Es gibt keine Unschuldigen." Ein Bataillonsführer habe gesagt: "Mein bester Arabisch-Dolmetscher ist mein Granatenwerfer."

"Wir haben zwar nicht den Befehl erhalten, auf alles zu schießen, was sich bewegt", wurde ein Veteran in dem Bericht der Organisation zitiert. "Aber wir wurden angewiesen: Wenn du dich bedroht fühlst, schieße!"

Andere Soldaten schilderten, wie Zivilisten dazu gezwungen worden seien, verdächtige Gebäude vor den Soldaten zu betreten. in anderen Fällen seien palästinensische Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" benutzt worden.

In dem Bericht wurden auch erneut Vorwürfe laut, das israelische Militär habe weißen Phosphor in Wohngebieten eingesetzt, der besonders schwere Verletzungen verursacht. Auch dies war von Israel zurückgewiesen worden.

Außerdem seien Häuser und Moscheen unnötig zerstört worden. Zudem werde eine Atmosphäre geschildert, die Soldaten zu wildem Schießen ermutigt habe. Soldaten hätten grundlos auf Wassertanks geschossen und Computer, Fernseher und andere Gegenstände in privaten Wohnungen zerstört.

Ein anderer Soldat berichtete von "Hass und Freude am Töten" unter seinen Kameraden. "Man fühlt sich wie ein kleines Kind mit einem Vergrößerungsglas, das Ameisen anschaut und sie verbrennt", sagte ein weiterer. "Ein Zwanzigjähriger sollte anderen Menschen nicht diese Dinge antun müssen."

Die israelische Armee teilte mit, sie bedauere, "dass eine weitere Menschenrechtsorganisation Israel und der Welt einen Bericht vorlegt, der auf anonymen und allgemeinen Zeugenaussagen basiert, ohne ihren Hintergrund und ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen". Es handele sich um "Diffamierung und Verleumdung der israelischen Armee und ihrer Kommandeure". Die Armee hatte auch stets betont, die Soldaten seien gehalten, die Zivilbevölkerung zu schonen. Dennoch will sie die Vorwürfe prüfen.

Verteidigungsminister Ehud Barak erklärte, die israelische Armee sei eine der "moralischsten in der Welt und gehe nach den höchsten ethischen Prinzipien vor".

Michael Manekin von der vor fünf Jahren gegründeten Organisation "Breaking the silence" erklärte, die Zeugenaussagen bewiesen, "dass die unmoralische Art und Weise, auf die der Krieg geführt wurde, Schuld des Systems und nicht des individuellen Soldaten war." Dies sei ein dringender Aufruf an die israelische Gesellschaft und Führung, "einen unverschleierten Blick auf die Dummheit unserer Politik zu werfen".

Bereits im Februar hatten Medien israelische Soldaten zitiert, die von ungehemmter Brutalität gegen die palästinensische Bevölkerung berichtet hatten. Die damaligen Untersuchungen dauerten nur wenige Tage und wurden mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass die Berichte nicht zuträfen und sich die Soldaten nichts vorzuwerfen hätten.

Zuletzt hatten auch Menschenrechtsorganisationen das nach ihrer Einschätzung unverhältnismäßige Vorgehen des israelischen Militärs gegen palästinensische Zivilisten kritisiert. In diesem Zusammenhang warf Amnesty International sowohl Israel als auch der radikal-islamischen Hamas Kriegsverbrechen vor. Auch israelische Soldaten hatten bereits von einem brutalen Vorgehen gegen Zivilisten im Gaza-Krieg berichtet.

Bei der Offensive gegen die Hamas waren einer palästinensischen Menschenrechtsorganisation zufolge 1417 Menschen getötet worden, darunter 926 Zivilisten. Die israelische Regierung bestreitet die Zahlen.

Quelle: ZEIT ONLINE, Reuters, dpa, sp

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