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Gazastreifen: Israel räumt Siedlungen

Die israelische Armee hat die Zwangsräumung der 21 jüdischen Siedlungen im Gazastreifen begonnen. Überschattet wurde der Einsatz von einem tödlichen Zwischenfall. (17.08.2005, 17:43 Uhr)

Newe Dekalim/Jerusalem - Mehr als 15.000 Polizisten und Soldaten evakuierten die Siedlungen am Mittwoch trotz Handgreiflichkeiten und Protesten der Einwohner schneller als erwartet, nachdem um Mitternacht eine Frist für den freiwilligen Abzug abgelaufen war. Bei Schilo im Westjordanland erschoss ein jüdischer Siedler drei palästinensische Arbeiter. Aus Protest gegen den Gaza-Abzug setzte sich in Netivot im Süden Israels eine Demonstrantin in Brand, wobei sie schwere Verbrennungen erlitt.

Der Siedler habe sich die Tatwaffe von Sicherheitsleuten am Tor von Schilo gegriffen, berichteten israelische Medien. Dann eröffnete er das Feuer auf ein Fahrzeug, in dem die Palästinenser unterwegs waren. Anschließend wurde er von Wachleuten überwältigt und festgenommen.

Im Gazastreifen widersetzen sich Tausende Siedler und auswärtige Demonstranten zunächst mit Handgreiflichkeiten und lautstarken Protesten, fügten sich dann aber mehrheitlich doch Anordnungen der Sicherheitskräfte. Zwei Drittel der 1550 registrierten Siedlerfamilien seien abgefahren, sagte ein Armeesprecher. Der zuständige Regierungskoordinator Eval Giladi erklärte, die Siedlungen könnten binnen 48 Stunden geräumt werden. Die Europäische Union begrüßte den Abzug. «Dies ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur Umsetzung des Friedensplans», sagte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel.

Die Proteste der Siedler und Demonstranten in den ersten sechs zur Zwangsräumung vorgesehen Kommunen waren emotional und verzweifelt, ganz überwiegend aber friedlich. Nach Handgemengen wurden gewalttätige Protestierer überwältigt und weggetragen. Eine Soldatin wurde in der Siedlung Morag mit einem Messer verletzt. Ein Brennpunkt des Widerstandes war die Siedlung Newe Dekalim.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon nahm Soldaten und Polizisten in Schutz. An radikale Siedler gewandt, sagte er auf einer Pressekonferenz in Jerusalem: «Verletzt nicht die Soldaten und die Polizisten! Verletzt mich! Beschuldigt mich! Ich bin für all das verantwortlich.» Der Abzug aus dem Gazastreifen sei «eine äußerst wichtige Entscheidung für den Staat Israel», fügte er hinzu. Israel zieht nach fast 38 Jahren aus dem Gazastreifen ab.

Siedler aus dem Gazastreifen wollen mit Hilfe der israelischen Behörden zunächst in das Westjordanland umziehen. Mehrere Familien hätten sich darauf vorbereitet, in Gästehäuser der jüdischen Siedlung Ofra nordöstlich von Ramallah einzuziehen, sagte die aus Morag im Gazastreifen stammende Siedlerin Iris Cohen. «Meine Kinder sind an freie Fläche gewohnt. Wir wollen nicht in einem Hochhaus leben», sagte sie. Der Sprecher der israelischen Regierungsbehörde für den Abzug, Chaim Altman, bestätigte staatliche Unterstützung der Siedler bei dem Umzug ins Westjordanland. «Wir bringen sie wohin immer sie wollen, solange sie ein Dach über dem Kopf haben», sagte er.

Die Palästinenserführung protestierte umgehend. Unterhändler Sajeb Erekat sagte, Israel verstoße mit einer Umsiedlung aus dem Gazastreifen in jüdische Siedlungen im Westjordanland gegen Vereinbarungen. «Das ist eine totale Verletzung der Übereinkünfte», sagte Erekat. (tso)

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