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Nur ein Schulkind oder schon im Sog islamistischer Agitation? Die CSU will es herausfinden.

© dpa

Überwachung von Kindern: Gefährder mit Milchzähnen

Wegen Radikalisierungs-Gefahr will die CSU Kinder vom Verfassungsschutz überwachen lassen. Warum nicht Verdächtige jedes Alters beobachten, zugleich aber mit Angeboten und Aufklärung reagieren? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fatina Keilani

Mit seinem Vorschlag, auch Kinder gegebenenfalls vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen, hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor der Frühjahrstagung der Innenminister kürzlich eine neue Diskussion gestartet; auf der Tagung selbst wurde der Vorschlag weiter diskutiert. „Kinder doch nicht!“, mag der erste Reflex besonders von Eltern sein, und speziell aus dem rot-grünen Lager wurde der Vorschlag heftig abgelehnt. Aber warum eigentlich?

Haben Kinder mehr Rechte als Erwachsene? Sie sind schutzwürdiger, gewiss, auch schwächer. Doch wenn ein Kind im islamistischen Umfeld radikalisiert oder – gerade weil es als Kind besonders geschützt ist – für Terrorzwecke missbraucht wird, könnte es da nicht gerade den Schutz des Kindes verbessern, wenn jemand rechtzeitig mitbekäme, in welche unselige Richtung es sich entwickelt, und sei es erst mal der Verfassungsschutz?

Das Bundesverfassungsschutzgesetz regelt die Speicherungsbefugnisse für Daten von Minderjährigen; demnach darf über unter 14-Jährige gar nichts in Dateien gespeichert werden und in Akten nur unter engen Voraussetzungen. Das Alter wurde schon von 16 auf 14 gesenkt. So mancher sich radikalisierende Zwölfjährige bleibt damit unter dem Radar, und das könnte zum Nachteil aller sein, und auch zu seinem eigenen. Im Falle radikalisierter Kinder kommt sogar eine Kindeswohlgefährdung in Betracht.

Das Schemadenken der Akteure verhindert gute Lösungen

Von der SPD und den Grünen wurde der Vorstoß abgelehnt mit dem Argument, Kinder müssten durch Prävention vor dem Abgleiten in die Radikalität bewahrt werden. Sie seien selbst Opfer, nicht Täter, da könne man nicht einfach zuschauen, auch nicht, um Erkenntnisse zu gewinnen, wurde Familienministerin Katharina Barley (SPD) zitiert.

Dabei wäre es doch viel klüger, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Warum nicht Verdächtige jedes Alters beobachten, zugleich aber mit Angeboten und Aufklärung reagieren? Das erfordert Ressourcen, also Personal, und eine Verzahnung der Aktivitätsfelder: Der Verfassungsschutz müsste seine Erkenntnisse zum Beispiel leistungsfähigen Jugendämtern weitersagen, die dann mit zielgenauen Präventionsangeboten reagieren und an die Familien entsprechend herantreten könnten.

Für dieses Weitersagen gibt es bisher aber keine Rechtsgrundlage, da der Verfassungsschutz seine Erkenntnisse nur bestimmten, im Gesetz aufgeführten Behörden weitergeben darf. Und das Personal, die Erkenntnisse dann sinnvoll zu nutzen, gibt es auch nicht. Es geht darum, einem Staat Möglichkeiten zu geben, seine Bürger zu schützen, auch seine Kinder. Wenn die Beteiligten das juristische Schemadenken einmal verlassen könnten und vom gewünschten Ergebnis her operierten, wäre das besser für alle.

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