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Politik: Geflügel muss „vorsorglich“ sterben

Besondere Maßnahmen rings um Fundstellen toter Schwäne / Agrarminister verärgert über Uneinsichtige

„Noch nicht allen scheint der Ernst der Lage bewusst zu sein.“ Aus den Worten von Till Backhaus, des Landwirtschaftsministers von Mecklenburg-Vorpommern, spricht am Sonntag Verärgerung – über uneinsichtige Landwirte ebenso wie über Heerscharen von Journalisten, die im Krisengebiet von Deutschlands größter Insel Rügen herumtrampeln.

Die Situation auf Rügen hat sich weiter zugespitzt. Seit Sonntag werden vollkommen gesunde Hühner und Enten mit Kohlendioxidgas oder Elektroschocks „vorsorglich“ getötet. Für sie war das Risiko, sich mit dem Vogelgrippevirus H5N1 anzustecken, größer als bei anderem Geflügel, so Agrarminister Backhaus. Sie waren seit dem Herbst, als die Zugvögel nach Rügen kamen, nicht ununterbrochen im Stall, ihr Freigelände liegt nah an den Fundorten infizierter toter Wildschwäne.

„Es ist eine Vorsorgemaßnahme“, betonte Backhaus. Denn gegenüber der Europäischen Union will er Zeichen setzen. „Es muss darum gehen, dass Deutschland nicht gesperrt wird“. Der wirtschaftliche Schaden durch Handelsbeschränkungen für Nutzgeflügel wäre für die deutschen Bauern mit ihren 123 Millionen Stück Geflügel immens.

Aussagen zu Betrieben und Zahl der Tiere, die von der Keulung betroffen sind, machte Backhaus nicht, da die Risikobewertung noch weiter laufe. Betroffen sei zunächst das Nutzgeflügel in näherer Umgebung der Fundstellen infizierter Wildvögel, vor allem Enten und Hühner. Zudem werden Haustierbestände getötet, in die nachweislich Menschen gelangten, die sich zuvor an Infektionsherden aufhielten. Auf Rügen sind rund 800 Hausgeflügelbestände mit mehr als 400 000 Stück Geflügel verschiedenster Arten registriert. Bei den Betrieben handele es sich um Seuchen-Sperrzonen, das Betreten sei auch für Journalisten „strengstens verboten“. Falls die Vogelgrippe demnächst bei Hausgeflügel festgestellt werden sollte, kennt der Minister die Schuldigen. Landwirte und Journalisten, die sich ohne Schutzmaßnahmen in Sperrzonen aufhalten, trügen dann „die volle Verantwortung“.

Unterdessen wurde die gesamte Insel zur Schutzzone erklärt. Bundeswehrsoldaten und zusätzliche Polizisten sollen dafür sorgen, dass Absperrmaßnahmen eingehalten werden. Die Bundeswehr schickte ein ABC-Abwehrbataillon, um bei der Desinfizierung von Fahrzeugen und Schutzanzügen zu helfen. Das bereits am Samstag eingetroffene Vorkommando sollte durch erfahrene Soldaten der ABC-Abwehrbataillone 805 aus Prenzlau/Brandenburg und 610 aus Albersdorf/Schleswig-Holstein verstärkt werden. Insgesamt sollten 40 Soldaten Amtshilfe leisten. Zudem sorgen in den Krisenstäben in Schwerin und in Bergen auf Rügen Veterinäroffiziere für die Koordination.

Rügens Landrätin Kerstin Kassner nimmt die Hilfe „dankbar an“, wie sie sagt. Solange von der Tierseuche keine Nutztiere oder Menschen betroffen sind, sieht sie aber weiterhin keine rechtliche Grundlage, den Katastrophenalarm auszulösen. Autos können die Insel über den Rügendamm oder den Fährhafen Mukran nur noch durch so genannte Seuchenwannen verlassen.

Die Zahl der vogelgrippekranken Tiere stieg auf 81, davon 79 auf Rügen. Die Fundorte verteilen sich über die ganze Insel, die eine Fläche von etwa 1000 Quadratkilometern hat. Eingesammelt haben die Helfer über 1000 Kadaver, vor allem Schwäne, Gänse und Enten. Rund um die Insel liegen immer noch zahlreiche tote Tiere auf dem brüchigen Eis. Sie sollen verstärkt geborgen werden. (mit dpa)

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