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Das Logo des Waffenproduzenten Heckler & Koch am Stammsitz des Unternehmens in Oberndorf (Baden-Württemberg).

© dpa

Sturmgewehr G36: Geheimdienst MAD sollte Journalisten ausspähen

In der G36-Affäre wird ein Untersuchungsausschuss wahrscheinlicher. Ministerin Ursula von der Leyen sperrt sich nicht dagegen - und gibt zu, dass ihr Haus sich auf ein pikantes Zusammenspiel mit dem Waffenhersteller Heckler & Koch eingelassen hat.

Von
  • Frank Jansen
  • Michael Schmidt

Genauso haben sich Kritiker des „militärisch-industriellen Komplexes“ das immer vorgestellt: Auf Druck der Rüstungsindustrie geht die Politik mithilfe eines Geheimdienstes gegen kritische Journalisten vor. So soll es tatsächlich geschehen sein. Beinahe jedenfalls. Im Jahr 2013. Damals versuchten führende Beamte des Verteidigungsministeriums offenbar auf Initiative von Heckler & Koch und in enger Absprache mit dem Waffenhersteller, kritische Berichterstattung über das umstrittene Standardgewehr der Bundeswehr G36 mithilfe des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) zu unterbinden. Der MAD sollte gegen Journalisten und deren „unwahre Medienkampagne“ tätig werden.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) versprach am Donnerstag, den Vorgang aufzuklären. Die Opposition forderte einen Untersuchungsausschuss. Journalistenverbände äußerten sich empört.

Der MAD hat sich für nicht zuständig erklärt

„Dass Heckler & Koch sich im Jahr 2013 an den MAD gewandt hat, ist schon sehr befremdlich“, sagte Leyen. „Was aber völlig inakzeptabel ist, ist, dass sich der damalige Abteilungsleiter Rüstung mit einem Brief an den MAD vom 6. Dezember 2013 diese Initiative zu eigen gemacht hat.“ Völlig zu Recht habe der MAD-Präsident „dieses absurde Ansinnen“ abgelehnt. Der Abteilungsleiter im Ministerium wurde inzwischen seines Postens enthoben. „Wenn das Parlament sich dieser Angelegenheit im Rahmen eines Untersuchungsausschusses annehmen möchte, ist dies sein gutes Recht“, fügte Leyen hinzu.

Der Waffenhersteller wies die Berichte zurück. „Heckler & Koch hat zu keinem Zeitpunkt die Ausspähung von Journalisten gefordert oder forciert“, teilte das Unternehmen am Donnerstag in Oberndorf mit. Der MAD selbst äußerte sich nicht. In Sicherheitskreisen jenseits des Nachrichtendienstes wurde jedoch bestätigt, dass der MAD aus dem Ministerium aufgefordert wurde, Informationen über Journalisten zu beschaffen, die kritisch über das G36 berichtet hatten. Der MAD habe eine Zuständigkeitsprüfung vorgenommen und eine negative Antwort gegeben, unter Hinweis auf das Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst. Demnach dürfen personenbezogene Auskünfte nur gesammelt werden, wenn es den Verdacht auf Spionage für eine fremde Macht gibt oder Angehörige des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung an Bestrebungen „gegen den Gedanken der Völkerverständigung“ beteiligt sind, sich also extremistisch betätigen. Deshalb sei die Anfrage aus dem Ministerium, der MAD solle Journalisten ausspähen, „mehr als glattes Eis“ gewesen, hieß es.

Offenbar lag der Bericht über diese Vorgänge der Ministerin bereits im März 2014 vor. Leyen erklärte dazu, es müsse aufgearbeitet werden „wie die Informationen über diese Vorkommnisse in meinem Büro gehandhabt wurden“. Ausdrücklich drohte sie mit „strukturellen und personellen Konsequenzen“.

Grüne: "Offensichtlich gab es eine schwarze Liste mit Journalisten"

Die Vorlage trägt die Abzeichnung „lag vor“. Nach Lesart des Ministeriums bedeutet dies, dass nicht die Ministerin persönlich, sondern der zuständige Referent das Papier zur Kenntnis nahm. Die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger sagte, dies sei „keine Entschuldigung, sondern das ist eine faule Ausrede“. Brugger und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. „Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem aus der G36-Affäre ein regelrechter Skandal wird“, sagte Brugger. „Offensichtlich gab es eine schwarze Liste mit Journalisten, die kritisch berichtet haben und aufklären wollten. Es ist ein versuchter Angriff auf die Pressefreiheit.“

Journalistenverbände zeigten sich bestürzt. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sprach von einem „unerhörten Vorgang“ und forderte mehr parlamentarische Kontrolle über die Geheimdienste. Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken verlangte von der Ministerin Auskunft darüber, wie sie das Verhältnis zu Journalisten zu verbessern gedenke. Matthias Spielkamp, Vorstandsmitglied von „Reporter ohne Grenzen“, sagte, offensichtlich gebe es in Teilen des Verteidigungsministeriums „kein Bewusstsein für die Bedeutung der Medien als legitime Instanz öffentlicher Kontrolle über das Handeln der Regierung“. Der Vorfall zeige ein weiteres Mal, dass die Geheimdienste mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle bräuchten, „damit Regierungsstellen sie nicht nach Belieben für fragwürdige Ziele einspannen können“.

Für Hans-Peter Bartels (SPD), den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, zeigt der Vorgang, wie gerechtfertigt das von Anfang an geäußerte Misstrauen der Ministerin gegenüber dem Ministeriumsapparat war und ist: „Der von Ursula von der Leyen begonnene Reformprozess im Beschaffungswesen“, sagte der designierte Wehrbeauftragte des Bundestages, „ist ganz offensichtlich noch nicht zu Ende.“

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