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Politik: Geheimdienste waren offenbar überfordert

Zwei Berichte zu Londoner Selbstmordanschlägen im Juli 2005 – Verbindung zu Al Qaida „unklar“

Die Selbstmordattentäter, die am 7. Juli 2005 in London 52 Bus- und U-Bahnpassagiere mit in den Tod rissen, haben für ihre Aktion nur 11 500 Euro ausgegeben. Dies geht aus einem Donnerstag veröffentlichten Bericht des britischen Innenministeriums über die Anschläge hervor.

Ein gleichzeitig veröffentlichter Untersuchungsbericht des parlamentarischen Geheimdienstausschusses kommt zu dem Schluss: Britische Geheimdienste haben die Gefahr des „hausgemachten“ Terrorismus, das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Radikalisierung britischer Muslime und insbesondere ihre Bereitschaft zu Selbstmordanschlägen unterschätzt. „Mehr muss getan werden, um die Radikalisierung im Vereinigten Königreich zu verstehen und die Erkenntnisse unter den Geheimdiensten, der Polizei, den Gemeinden und den Familien zu verbreiten“, folgert der Parlamentsbericht in seinen Empfehlungen. Innenminister John Reid bekräftigte im Unterhaus den Willen der Regierung, in Zusammenarbeit mit den Muslimen die „Verzerrungen des Islams“ zu bekämpfen. Doch sei die Bekämpfung des internationalen Terrorismus eine „kollektive Aufgabe“, die nicht von den Geheimdiensten, der Polizei oder der Regierung, sondern „nur von uns allen zusammen“ bewältigt werden könne.

Beide Berichte zeichnen das Bild überforderter Dienste. Die Ressourcen reichten nicht aus, um die zwischen 2003 und 2005 um 300 Prozent angewachsenen investigativen Aufgaben abzudecken. Laut Experten müssen in Großbritannien derzeit 1000 potenzielle Extremisten überwacht werden. Bei besserer Ausstattung „wären die Chancen, den Anschlag zu verhindern, größer gewesen“, so eine der Schlussfolgerungen. Kritik an der Regierung übt der Parlamentarierbericht nicht. Doch bleibt umstritten, ob die Geheimdienste Fehler machten. Die Berichte bestätigen, dass zwei Attentäter, der als Anführer geltende Mohammed Sidique Khan und Shehzad Tanweer, als Randfiguren einer mutmaßlichen Terrorzelle vom Radar der Dienste erfasst worden waren. Von einem dritten, Jermaine Lindsay, fand sich die Telefonnummer in den Computern der Terrorabwehr. Khan und Wanweer nahmen an Planungen für einen dann vereitelten Anschlag teil. Doch angesichts knapper Ressourcen wurden die beiden als Randfiguren niedriger Priorität eingestuft. Diese Entscheidung sei „verständlich“ gewesen, so der Bericht. Doch unabhängige Terrorexperten sprachen von einem „unverzeihlichen“ Fehler. Oppositionspolitiker und Angehörige der Opfer forderten erneut eine unabhängige Untersuchung der Anschläge.

Ob Al Qaida Drahtzieher der Anschläge war, bleibt nach dem Bericht des Innenministeriums „unklar“. Beunruhigend ist: Die Konstruktion der Sprengsätze war mit leicht erhältlichen Materialen und ohne große Kenntnisse möglich. Außerdem zeigten die Anschläge, „die echten Schwierigkeiten für Sicherheitskräfte und Bürger, potenzielle Terroristen zu identifizieren.“ Die Briten, warnte der Ausschussvorsitzende Paul Murphy, müssten sich auf mehr „Beeinträchtigungen“ durch Überwachung einstellen.

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