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Umstrittene Panzer. Von geplanten Waffengeschäften wollen Abgeordnete nicht aus den Medien erfahren. Foto: Ulrich Baumgarten/vario images

© Ulrich Baumgarten / vario images

Geheime Rüstungsdeals: Parlamentarier wollen mehr Mitsprache bei Waffengeschäften

Entscheidungen über Panzerlieferungen an Saudi-Arabien und andere Waffenexporte sind in Deutschland geheim. Der Bundessicherheitsrat entscheidet darüber. Bundestagsabgeordnete wollen dies nicht länger hinnehmen. Staatsrechtler halten das Gremium gar für ein Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges.

Von Michael Schmidt

Irgendwo gab es ein Leck. Irgendwer hat geplaudert. Irgendwie wurde die Sache mit den Panzern für Saudi-Arabien publik. Die Öffentlichkeit rieb sich verwundert die Augen. Die Grünen fragten nach. Mehrfach. Gibt es eine Entscheidung? Wie sieht die aus? Und wie rechtfertigt die Bundesregierung das angesichts der Menschenrechtslage in dem Golfstaat? Die Antwort war ein lautes Schweigen. Begründet mit dem Hinweis darauf, dass die Bundesregierung grundsätzlich weder erkläre noch kommentiere, was im geheim tagenden Bundessicherheitsrat in Sachen Rüstungsexporte besprochen und beschlossen wird.

Das wollte der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele so nicht hinnehmen, klagte in Karlsruhe – und darf sich der Sympathien eines weiten Teils seiner Bundestagskollegen sicher sein. Die Bundesregierung könne ihren Diskussions- und Entscheidungsprozess organisieren wie sie wolle, sagt Ströbele. Aber die Verantwortung für eine Entscheidung im Bundessicherheitsrat trage die gesamte Regierung, und diese Entscheidung müsse sie dem Parlament und der Öffentlichkeit mitteilen, fordert der Kreuzberger Grüne: „Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem die Abgeordneten noch Einfluss nehmen können.“

Darin weiß Ströbele sich einig auch mit seinem politischen Gegner. „Schon misslich“, findet der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, CDU-Politiker Ruprecht Polenz, „dass wir Abgeordnete aus der Zeitung davon erfahren, die Bundesregierung nichts dazu sagt – wir aber von allen Seiten danach gefragt werden und nichts wissen“. Das gebe Verschwörungstheorien unnötigerweise Nahrung. Die Frage, wann das Parlament von wichtigen Rüstungsexportentscheidungen erfahre, wie es „im manchmal schwierigen Abwägungsprozess mitwirken“ könne – und ob überhaupt –, diese Frage sei „nicht zufriedenstellend beantwortet“. Dem CDU-Politiker wird zu wenig argumentiert, zu wenig begründet, zu wenig problematisiert. So werde etwa die Tatsache, „dass die meisten arabischen Staaten Israel in Feindschaft gegenüberstehen, viel zu wenig beachtet“ bei den in Rede stehenden Panzerdeals. Auch die Frage, ob sich darin eine Veränderung in Deutschlands Grundhaltung zu Rüstungsexporten ankündige – Stichwort Merkel-Doktrin: die Bundeswehr schickt Panzer statt Soldaten in die Welt –, werde zu wenig öffentlich erörtert.

Opposition: Vorgehen nicht mehr zeitgemäß

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold hält die deutsche Vorgehensweise für „nicht mehr zeitgemäß“ und fordert die Bundesregierung auf, Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im Parlament oder einem Parlamentsausschuss zu erklären. „Und wenn in Länder exportiert werden soll, in die eigentlich nach den Rüstungsexportrichtlinien nicht exportiert werden darf, es aber politisch gewollt ist, dann muss die Bundesregierung das begründen und darf sich nicht weiter hinter dem Bundessicherheitsrat verstecken.“

Die liberale Verteidigungsexpertin Elke Hoff sieht das ähnlich. Sie hielte es für „wünschenswert, wenn das Parlament in die Bewertung potenzieller Empfängerregionen mit einbezogen“ würde, sagt Hoff: „Haben wir dort ein eigenes sicherheitspolitisches Interesse? Soll ein Staat in die Lage versetzt werden sich zu verteidigen? Wer wären potenzielle Gegner?“ Diese Fragen sollten nicht nur im Geheimen erörtert werden. Die FDP-Politikerin schlägt für den Bundessicherheitsrat eine Art Parlamentarisches Kontrollgremium (PKG) vor: Das PKG, das es bereits gibt, ist ein Ausschuss des Bundestages zur Überwachung der Nachrichtendienste. In dem sitzen Vertreter aller Parteien, die ihrerseits zwar auch zur Geheimhaltung verpflichtet sind, aber in dringenden Angelegenheiten dem Parlament Auskunft geben dürfen. So etwas, sagt Hoff, könne sie sich auch mit Blick auf den Bundessicherheitsrat vorstellen.

Der normale Gang der Waffenhandels-Dinge hierzulande sieht mehr Mitsprache durch den Souverän und seine Repräsentanten allerdings nicht vor. In der Regel ist es so: Ein Land X zeigt Interesse an Kriegsgerät Y, der Hersteller Z stellt eine Voranfrage an die Bundesregierung mit der Bitte um eine Exportgenehmigung. Der Bundessicherheitsrat berät darüber und senkt oder hebt den Daumen. Dieses Ergebnis, der Vorbescheid, ist, sagt Ströbele, anders als das Wort glauben macht, „der eigentlich entscheidende Bescheid“. Denn „faktisch kann danach nichts mehr zurückgenommen werden“. Der Vorbescheid bedeute grünes Licht für die Herstellerfirma, grünes Licht auch für das Empfängerland. Die Öffentlichkeit erfährt von dem Waffengeschäft erst dann, wenn die Bundesregierung – zumeist verspätet – den jährlichen Rüstungsexportbericht vorlegt: Dann, sagt Ströbele, „ist in der Regel aber alles schon gelaufen“. Dann sind die Panzer, U-Boote und Eurofighter schon ausgeliefert.

Staatsrechtler für Abschaffung des Geheimgremiums

Die Friedensbewegung kritisiert die Politik der Geheimhaltung seit langem. Der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, forderte erst zu Wochenbeginn wieder die Auflösung des Bundessicherheitsrats. Unterstützung erhält er von juristischer Seite. Für Staatsrechtler Joachim Wieland von der Verwaltungshochschule Speyer ist der Bundessicherheitsrat „ein Relikt aus der Zeit des kalten Krieges“ und heute sogar gänzlich „überflüssig“. Das Grundgesetz, sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, kenne nur die Bundesregierung, die vom Bundestag demokratisch legitimiert ist, und keine Kabinettsausschüsse, „die geheim tagen und sich so der demokratischen Kontrolle von Parlament und Öffentlichkeit entziehen“. Die Geheimhaltung schwäche die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament, sagt Wieland. In einem demokratischen Rechtsstaat sollte es „keine Staatsgeheimnisse der Regierung gegenüber dem Parlament, sondern eine umfassende Kontrolle des Regierungshandelns durch das Parlament“ geben.

Bestärkt sieht sich Wieland durch das Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe habe in jüngster Zeit mehrfach die Kontrollaufgabe des Parlaments betont „und im Zusammenhang mit der Finanzkrise eine Entscheidung des Plenums des Deutschen Bundestags über die wesentlichen politischen Fragen, zu denen auch der Waffenexport in Länder außerhalb der Nato gehört, als von der Verfassung geboten bezeichnet“. Ströbele und Kollegen werden es gern hören.

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