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Politik: Geiseldrama auf Jolo: "Eine Militärische Befreiung ist unmöglich" - Peter Scholl-Latour im Interview

Peter Scholl-Latour ist langjähriger Kenner der islamischen Welt und der politischen Situation in Südostasien. Er geriet 1973 selber in die Gewalt muslimischer Rebellen auf den Philippinen.

Peter Scholl-Latour ist langjähriger Kenner der islamischen Welt und der politischen Situation in Südostasien. Er geriet 1973 selber in die Gewalt muslimischer Rebellen auf den Philippinen. Seine Schilderungen des Falls werden im Auswärtigen Amt zurzeit sehr genau gelesen.

Die Verhandlungen auf Jolo scheinen festgefahren. Seit Wochen zieht sich die Entführung hin. Welche Lösung ist möglich?

Ein militärisches Eingreifen ist mittlerweile abzulehnen. Das hätte wahrscheinlich die Tötung der Geiseln zur Folge. Wären Amerikaner unter den Entführten, würde von den USA sicherlich solch eine Operation durchgeführt werden. Deutschland verfügt nicht über die Mittel, die philippinischen Truppen ebenso wenig.

Also kein neues Mogadischu?

Nein, die Bundesregierung kann die GSG-9 nicht hinschicken. Die haben gar keine Erfahrung im Dschungelkampf. Ganz zu Beginn der Entführung hätten unter die Journalisten Guerilla-Experten gemischt und eine gewaltsame Befreiung durchgeführt werden können. Das geht nun nicht mehr.

Sollte dann auf die Lösegeldforderungen eingegangen werden?

Die Regierungen der betroffenen Länder müssen mit den Aufständischen inoffiziell über Mittelsmänner verhandeln. Das ist aus meiner Sicht die einzige praktikable Lösung. Aber wenn es nur um Geld ginge, wäre das sicherlich mittlerweile gezahlt worden. Die Verhandlungen müssen schnell gehen, denn die Entführten haben nur wenig Tropenerfahrung und sind für Krankheiten anfällig. Auf Fotos sieht man sie immer mit freiem Oberkörper. Das ist ein großer Fehler, da es viele Moskitos gibt.

Würde die Bundesregierung inoffiziell verhandeln, hätte das doch Verstimmungen bei der philippinischen Regierung zur Folge.

Das stimmt, ist aber nicht zu vermeiden. Die philippinische Regierung will ausländische Politiker aus den Gesprächen heraushalten, weil das eine Art Anerkennung für die Aufständischen wäre.

Ist das letztlich das Ziel der Entführer und eben nicht das Geld?

Die Sache hat wohl als Piratenstück begonnen. Das hat eine lange Tradition in der Region. Zunächst ging es nur um ein möglichst hohes Lösegeld. Der politische Hintergrund ist den Entführern wahrscheinlich erst später klar geworden. Nach dem internationalen Aufschrei haben höhere Kommandostellen der Abu Sayyaf und der Islamischen Moro Befreiungsfront die Sache politisiert. Der so genannte Kommandant Robot ist aber eher ein kleiner Gangster, der sich als muslimischer Befreiungskämpfer gibt.

Sie waren selber einmal in der Hand muslimischer Rebellen auf den Südphilippinen und kennen die Aufstandsbewegung. Was sind das für Gruppen?

Man muss sagen, dass es sich um einen berechtigten Aufstand handelt. Die Moros - die Muslime - wurden von den mehrheitlich christlichen Philippinos nicht gut behandelt. Bloß bei den Aufständischen gibt es sehr verschiedene Gruppen. Auf der einen Seite sind das einfach Gangster, auf der anderen muslimische Fanatiker, die das islamische Recht - die Scharia - einführen wollen. Und dann gibt es noch die Gruppe der Islamischen Moro Befreiungsfront. Das sind relativ seriöse Politiker.

Die Rebellen sind somit nicht einheitlich organisiert.

Ja, sie sind sehr unterschiedlich. Im Falle einer Unabhängigkeit wären wohl afghanische Verhältnisse zu befürchten.

Zurück zur Entführung. Die Kidnapper des "Spiegel"-Reporters Andreas Lorenz scheinen Trittbrettfahrer zu sein.

Das stimmt. Die stehen wohl nicht in Verbindung mit der ursprünglichen Entführung. Lorenz wollte mit irgendwelchen Verbindungsleuten zusammen kommen. Und das waren offensichtlich die falschen. Die Rebellengruppen wissen inzwischen, bei welchen Reportern sie das größte Aufsehen erregen. Der "Spiegel" ist nun mal bekannt.

Das internationale Interesse ist inzwischen enorm. Profitieren die Aufständischen?

Was sie in 30 Jahren Aufstand nicht erreicht haben, ist ihnen jetzt gelungen. Es geht endlich um die politische Frage nach den Rechten der Muslime auf den Philippinen und ihren Wunsch nach einem eigenen Staat.

Gibt es direkte Unterstützer?

Kürzlich gab es eine islamische Weltkonferenz in Kualalumpur, die eine eindeutige Stellungnahme zugunsten der Moro Befreiungsfront abgaben. Daneben sieht der malaysische Präsident Mahatir die Vorgänge gerne. Zum einen gibt es traditionell enge Verbindungen zwischen Malaysia und dem muslimischen Teil der Philippinen. Zum anderen fühlte sich Mahatir während der asiatischen Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre von den USA nicht gut behandelt.

Inwiefern werden denn die USA dadurch getroffen?

Die Separationsbewegung führt zur Schwächung der amerikanischen Position in Süd-Ost-Asien. Dort stützen sich die USA vor allem auf die Philippinen und Indonesien. Eine Destablisierung dieser Staaten vermindert den Einfluss der USA.

Die Verhandlungen auf Jolo scheinen festgefahren.

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