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Politik: Gelbe Kassen

Westerwelle nennt den Verdacht auf Schwarzkonten reine Spekulation – doch die FDP-Prüfer suchen längst danach

Von

Von Robert Birnbaum

und Jürgen Zurheide

Guido Westerwelle ist jetzt aber doch ungehalten. Der Fragesteller möge die Betroffenen selbst fragen: „Ich kann diese Recherchearbeit nicht für Sie erledigen!“ Kann er aber nicht nur, muss er sogar, will er nicht das Image des Aufklärers riskieren. Tatsächlich hat der FDP-Chef, nachdem er die Pressekonferenz hinter sich hatte, bei der Betroffenen nachfragen lassen. Es ging nämlich immerhin um die von ihm persönlich zur künftigen NRW-Chefin designierte Ulrike Flach – und die Frage, wann sie von Jürgen W. Möllemann zum ersten Mal etwas von dessen geplantem Wahlkampf-Flugblatt erfahren hat.

Die Auskunft: Am 11. November – das Flugblatt war schon gedruckt, die Auslieferung in einer knappen Woche geplant – beim Bier in Mülheim zusammen mit Landesschatzmeister Andreas Reichel. Flach beteuert, Möllemann habe ihnen den Flyer als denkbares Projekt präsentiert, auch von großflächiger Verteilung geredet und davon, dass er es notfalls privat finanzieren könne. Sie wie Reichel hätten abgeraten und – als Möllemann von einer angeblichen Absprache im Präsidium gesprochen habe – ihm gesagt, er solle in jedem Fall mit Hans-Dietrich Genscher reden. Das habe Möllemann versprochen, aber offenbar nicht getan: „Der hat uns hintergangen“, sagt Flach.

Die Frage, wer wann was gewusst hat, gehört zu den pikanten in der Spenden-Affäre. Die Frage, wer bei der Aktion geholfen hat, und die zweite Frage, ob die dubiose Finanzierung wirklich ein Einzelfall im Lande Möllemanns war, ist weitaus handfester. Nachdem er noch am Freitagmittag keinen Anlass erkennen konnte, die Kassen der Landespartei in Düsseldorf einer generellen Überprüfung zu unterziehen, ist Bundesschatzmeister Günter Rexrodt wenig später eine Erleuchtung gekommen. Seit Freitagnachmittag ist die General-Revision im Gange. Unmittelbarer Anlass sind zwei Barspenden Möllemanns an Bundestagsabgeordnete aus den Wahlkreisen Borken und Steinfurt – Bargeld, das nach dem neuen Parteiengesetz niemals hätten fließen dürfen und wenig später auch als angebliches Versehen wieder zurückgezogen wurde. Die Staatsanwaltschaft Münster prüft ein Ermittlungsverfahren. Auch die Frage, wer Möllemanns Wahlkampf-Fallschirmsprünge bezahlt hat, soll geprüft werden. Dass Möllemann und eventuelle Mitwisser schwarze Kassen unterhalten haben, nennen Westerwelle und Flach zwar öffentlich „reine Spekulation“. Tatsächlich gilt die Prüfung genau diesem Verdacht. Öffentlich lobt Rexrodt ja auch die Kooperationsbereitschaft des Landeskassenwarts Reichel. Dass es dafür einer „sehr deutlichen“ Aussprache bedurfte, verschweigt er aber nicht. In Wirklichkeit trauen sie dem Mann in Berlin überhaupt nicht über den Weg.

Bei alledem geht es Westerwelle auch politisch gerade nicht so gut. Es ist nämlich ganz offensichtlich schwer zu erklären, dass am „Projekt 18“ nur die 18 erledigt sein soll, aber nicht das Projekt. „Die Strategie der Freien Demokraten für die Bundestagswahl war richtig“, sagt der FDP-Chef, und: „Man soll die Zahl nicht verwechseln mit einer Strategie.“ Über die Ziel-Zahl, aber zum Beispiel auch über die Nominierung des Parteichefs zum „Kanzlerkandidaten“ müsse eben „vor jeder Wahl“ neu entschieden werden. Und was die Landesverbände in ihren Landtagswahlkämpfen festlegten, sei ohnehin deren Sache. Dazu, dass Möllemanns und Westerwelles Ex-Wahlkampfberater Fritz Goergen bekundet hat, der FDP-Chef habe die Strategie 18 nie richtig verstanden, sagt Westerwelle nichts. Aber er ist dem Vernehmen nach ganz froh, dass er nicht verstanden hat.

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