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Politik: Geldbeutel entscheidet über Bildung

Neue Regierung verspricht: Wir kämpfen gegen die Benachteiligung armer Kinder

Von Hans Monath

Berlin - Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) hatte den Termin für ihre unfrohe Botschaft geschickt gewählt: Ausgerechnet am Tag der Bundestagsdebatte über die Familien- und Bildungspolitik der neuen Bundesregierung veröffentlichte der Sozialverband am Donnerstag das Ergebnis seiner neuen Studie, wonach Armut der Hauptgrund für schlechte Bildungsergebnisse von Kindern ist. Schon zu Beginn ihrer Schullaufbahn und damit in ihren Lebenschancen seien arme Kinder sehr benachteiligt, sagte der Awo-Chef Wilhelm Schmidt in Berlin: „Die eigentliche Bildungsmisere in Deutschland hat ganz offensichtlich nicht mit Leistung zu tun, sondern zunächst einmal mit Chancen.“

Schmidt sprach bei der Vorstellung der ersten Langzeitstudie zur Wirkung von Armut in der Grundschulzeit von einem „erschreckenden“ Zusammenhang von Armut und Bildung. Nach der Untersuchung des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) sind die Chancen für arme Kinder, nach der Grundschule aufs Gymnasium zu wechseln, viermal geringer als bei Gleichaltrigen aus wohlhabenderen Haushalten. Der Awo-Chef verwies darauf, dass Ausmaß und Dauer der Armut den Schulerfolg merklich minderten. Während mehr als ein Drittel der armen Kinder sitzen bleibe, müssten nur acht Prozent der nicht armen Kinder Klassen wiederholen.

Die große Koalition nimmt für sich in Anspruch, das Problem erkannt zu haben, und verspricht Abhilfe. Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte im Bundestag, die Koalitionsvereinbarung schaffe „die Möglichkeit zu einer spürbaren Senkung von Familienarmut“. Diesem Ziel dienten der Ausbau der Betreuung für Kleinkinder und die für 2007 geplante Einführung eines Elterngeldes. „Nicht Kinder machen arm, sondern Kinder leben in Armut, weil ihre Eltern keine Arbeit haben oder den Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht mehr finden“, sagte von der Leyen. Den Koalitionsvertrag nannte sie einen „Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen Familienpolitik“.

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, der Teufelskreis von schwacher sozialer Herkunft und schlechter Bildung müsse durchbrochen werden. Deshalb werde der Ausbau der Ganztagsschulen vorangetrieben. Awo-Chef Schmidt lobte die familienpolitischen Vorhaben der neuen Regierung. Das Elterngeld könnte einen „neuen Schub“ beim Kampf gegen Kinderarmut geben. Die Politik müsse aber bei den Ursachen der Armut ansetzen. Dies seien die hohe Arbeitslosigkeit und die Entwicklung hin zu Niedriglöhnen. Die Linkspartei/PDS kritisierte dagegen, vom geplanten Elterngeld würden nur Besserverdienende profitieren. Vehement widersprachen von der Leyen und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) den Äußerungen des NRW-Landesvaters Jürgen Rüttgers, der die Regelung, auch die Väter zwei Monate zur Betreuung zu verpflichten, für „überhaupt nicht verfassungsgemäß konstruierbar“ hält. „Ich sehe keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Staat Leistungen an ein bestimmtes Verhalten knüpft“, sagte Wulff.

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