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Politik: Gemeinsam an der Grenze

Serben und Kosovaren übernehmen Kontrollen.

Zagreb/Pristina - Wenn sie Barrikaden errichteten oder Nato-Soldaten angriffen, haben sie in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen. Vielleicht auch, weil der Nordkosovo der einzig verbliebene Hotspot Europas ist, sieht man von den Unruhen in Griechenland ab. Manchmal fliegen Steine, zuweilen wird geschossen, ziemlich oft werden riesige Sandhaufen und Bäume als Straßensperren eingesetzt. Auch an diesem Montag, wenn an zwei von vier Grenzübergängen zwischen dem Kosovo und Serbien das gemeinsame Grenzmanagement beginnen soll, werden alle wieder auf die Kosovo-Serben schauen. Werden die Grenzhütten wieder brennen? Werden vermummte Hooligans aus Belgrad anreisen? Oder hat der serbische Premierminister Ivica Dacic tatsächlich alles im Griff?

Erstmals sollen nun kosovarische und serbische Beamte gemeinsam die Grenzkontrollen durchführen. Dies ist einerseits dem entschlossenen Vorgehen von Dacic zu verdanken, der anders als die Vorgängerregierung keine nationalistische Opposition im Nacken hat, und andererseits der Europäischen Union, die Serbien mit dem Kandidatenstatus als Lockmittel zum Handeln brachte. Die gemeinsame Grenzkontrolle zwischen Serbien und dem Kosovo ist eine Voraussetzung dafür, dass Serbien einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen bekommt.

Das gemeinsame Grenzmanagement wurde bereits im Frühjahr vereinbart, doch bislang verweigerte Serbien die Umsetzung, weil es Angst hatte, damit indirekt die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen. Außerdem fürchten die im Nord-Kosovo lebenden Serben, in Zukunft von Pristina verwaltet zu werden. Diese etwa 60 000 Menschen sehen das gemeinsame Grenzmanagement als Bestätigung dafür, dass sie nicht mehr zu Serbien gehören sollen. Deshalb haben einige Kosovo-Serben in den vergangenen Tagen an den beiden Grenzübergängen im Norden demonstriert und versucht, den Aufbau der Grenzhäuschen zu verhindern.

Am Freitagnachmittag lenkten die Vertreter der vier Gemeinden aber nach einem Gespräch mit Dacic und Präsident Tomislav Nikolic ein. Dacics Worte waren dabei ungewöhnlich klar. „Niemand sollte in dem Irrtum leben, dass Serbien im Kosovo etwas zu verlieren hat, fast alles wurde bereits verloren“, sagte der ehemalige Sprecher von Slobodan Miloševic. Während Nikolic in die Defensive gerät und zuletzt ein Treffen mit der kosovarischen Präsidentin Atifete Jahjaga verweigerte, profiliert sich „der kleine Sloba“, wie Dacic genannt wird, immer mehr als wegweisender Vertreter Serbiens gegenüber der EU. Auch das Gesprächsklima zwischen ihm und dem kosovarischen Premier Hashim Thaci gilt als sehr gut.

Den Kosovo-Serben wurde von Dacic versprochen, bis auf Weiteres ihre serbischen Personaldokumente und Nummernschilder verwenden zu können. Im Nordkosovo haben allerdings viele Autos ohnehin keine Nummernschilder, und für die Kosovo-Serben ist ohnehin eine Doppelstaatsbürgerschaft vorgesehen. Ein Zugeständnis war auch, dass keine kosovarischen oder serbischen Staatsymbole an den Grenzübergängen angebracht werden.

Thaci ist indes unter Druck geraten, weil Tonbandaufnahmen von abgehörten Telefongesprächen zwischen kosovarischen Politikern – darunter auch Thaci – auf Youtube auftauchten. Das Material stammt peinlicherweise von der EU- Rechtsstaatsmission Eulex, wie diese auch zugab. Besonders unangenehm sind für Thaci die Bemerkungen über den kürzlich festgenommenen Ex-Verkehrsminister Fatmir Limaj, einen „Parteifreund“ Thacis, der wegen Kriegsverbrechen in Untersuchungshaft sitzt. Limaj ist in der PDK, die aus der Kosovo-Befreiungsarmee UCK hervorging, eine zentrale Figur, wurde aber häufig mit Korruptionsfällen in Verbindung gebracht. Thaci bezeichnete Limaj in dem Telefonat als „Banditen“. Parlamentspräsident Jakup Krasniqi nannte er „Jakupovski“ und spielte damit auf abfällige Art auf eine slawische Abstammung an. Die Regierung behauptet nun, die Aufnahmen seien gefälscht, auch wenn das nicht stimmt. Adelheid Wölfl

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