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Politik: Gemeinsam getrennt

Keine parteiübergreifende Antisemitismus-Erklärung im Bundestag / Bringt Linke wortgleichen Antrag ein?

Berlin - Nach tagelangem Ringen zeichnet sich nun doch ein parteiübergreifender Kompromiss für ein gemeinsames Signal des deutschen Bundestages zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht ab. SPD, Union, FDP und Grüne werden nach Informationen des Tagesspiegels an diesem Dienstag einen gemeinsamen Antrag gegen Antisemitismus ins Parlament einbringen, der zwischen den Fraktionsspitzen abgestimmt ist. „Bei der Union haben wir auf Granit gebissen mit unserem Anliegen eines gemeinsamen Antrags. Deshalb hoffe und empfehle ich der Linksfraktion, dass sie den Antrag wortgleich einbringt“, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast dem Tagesspiegel.

Dem Vernehmen nach gab es in der Linksfraktion viel Sympathie für Künasts Vorschlag, eine endgültige Entscheidung war am Montag allerdings noch nicht gefallen. Beide Entwürfe würden dann im Block abgestimmt werden – so dass es vor dem 9. November faktisch ein geschlossenes Votum des Bundestags zum Kampf gegen den Antisemitismus gäbe. „Wir haben die staatspolitische Pflicht und Verantwortung, dass der Bundestag zum Gedenken an 70 Jahre Reichspogromnacht jenseits aller parteipolitischen Diskussionen ein gemeinsames Signal gibt. Wir agieren nicht für uns selbst, sondern für das Land und haben deshalb auch eine Verantwortung gegenüber den Opfern und ihren Hinterbliebenen“, mahnte Künast.

Mit diesem Vorgehen versuchen die Fraktionen, in letzter Sekunde eine Blamage des Bundestages abzuwenden. Seit Anfang des Jahres hatte eine Gruppe von Parlamentariern parteiübergreifend an einem Antrag gearbeitet. Doch Mitte Oktober hatten einige Unionspolitiker überraschend angekündigt, sie wollten nicht gemeinsam mit der Linken einen solchen Antrag einbringen. Sie begründeten das damit, dass es in der Linken als SED-Nachfolgepartei „erhebliche antisemitische Kräfte“ gebe. Politiker von Grünen, FDP und der Linken warfen der Union darauf parteipolitische Spielchen vor – und mahnten ein gemeinsames Vorgehen an.

Der gemeinsame Entwurf für den Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen, der dem Tagesspiegel vorliegt, verzichtet auf ausgrenzende Formulierungen gegenüber der Linken. Die Fraktionen fordern darin die Bundesregierung auf, „ein Expertengremium aus Wissenschaftlern und Praktikern“ zu beauftragen, regelmäßig einen Bericht zum Antisemitismus in Deutschland zu erstellen. Außerdem wird dafür geworben, „dass Lehrpläne in Schulen um Themen zum jüdischen Leben, zur jüdischen Geschichte und zum heutigen Israel erweitert werden“. Hinzu gekommen ist außerdem das Bekenntnis des Bundestags, „Modellprojekte, welche sich im Kampf gegen den Antisemitismus bewährt haben“, finanziell dauerhaft abzusichern. Außerdem soll geprüft werden, ob die bestehenden Bundesprogramme ausreichend den Schutz von Opfern antisemitischer Straftaten berücksichtigen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, lobte, dass dem Reden konkretes Handeln folgen werde. „Es ist gelungen, dass Programme gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus ausgebaut werden und die wichtigsten Projekte auch länger laufen können, als bisher in Modellversuchen üblich.“ Beck sagte, es sei ein Skandal, dass das NPD-Aussteigerprogramm Exit im Oktober aus rein haushaltsrechtlichen Gründen ausgelaufen sei. „So etwas wird mit dem jetzigen Beschluss des Bundestags nicht mehr möglich sein.“

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