zum Hauptinhalt

Politik: Gemeinsam sind wir schwach

Das PDS-Debakel hat nicht Gysi allein zu verantworten, sagt der Vorstand – und vertagt personelle Konsequenzen

Von Cordula Eubel

und Matthias Meisner

Die Gesichter sprechen Bände. Versteinerte Mienen, herabhängende Mundwinkel, angespannte Blicke – so angeschlagen zeigt sich die PDS-Führung am Montag, einen Tag nach dem Wahldebakel. Heftig gestikuliert der stellvertretende Parteivorsitzende Diether Dehm, der scheidende Fraktionschef Roland Claus notiert erste Analysen. Von Beginn an scheint klar: Diese Beratung hat alles, was zu einer Krisensitzung gehört. Obwohl die Magdeburger Fraktionsvorsitzende Petra Sitte warnt: „Wir dürfen keine Katzenjammerstimmung aufkommen lassen.“

Mehr als sechs Stunden wird die Vorstandsrunde schließlich dauern, für das Wundenlecken benötigt die Parteispitze viel mehr Zeit als geplant. Mehrfach verschiebt die PDS die für den Nachmittag angekündigte Pressekonferenz. Es geht schließlich um existenzielle Fragen: Wie geht es nach dem Rausschmiss aus dem Bundestag für die PDS weiter – und vor allem: mit wem an der Spitze? Alles soll auf den Tisch: Kritik an der Wahlkampfführung, die Sorgen, die Regierungsbeteiligungen in Schwerin und Berlin könnten geschadet haben. Und selbstverständlich auch die Rolle von Gregor Gysi, der, wie Genossen meinen, seine Partei mit dem Rücktritt vom Amt des Berliner Wirtschaftssenators erst so richtig in die Krise gerissen habe. „Harte Worte“ fielen, berichtet eine Teilnehmerin. Und eine „gewisse Ratlosigkeit“ habe bei der Frage geherrscht, warum der populärste Politiker der PDS mitten im Wahlkampf neue Tändeleien mit der SPD beginnen musste. Zuvor hatte der Europaabgeordnete André Brie Partei für Gysi ergriffen: Wenn die PDS ihm Schuld an der Niederlage gebe, fange sie an, „sich wieder selber in die Tasche zu lügen“.

Doch die Partei mag es sich gar nicht so einfach machen, Gysi zum alleinigen Sündenbock des Wahldebakels zu stempeln. Einige benennen die verschleppte Programmdebatte als mögliche Ursache. Vize-Parteichef Peter Porsch hält es – ähnlich wie der Ehrenvorsitzende Hans Modrow – für falsch, dass die PDS immer wieder die Unterstützung für Gerhard Schröder thematisiert habe: „Wer sich zur Westentasche der herrschenden Politik macht, muss sich nicht wundern, dass er hart landet.“ Porsch will 2004 die PDS in Sachsen in einen Landtagswahlkampf führen – dann mit klarem Oppositionsprofil.

Die herben Verluste im Osten treffen die Partei besonders. Deutlich war der Einbruch im rot-rot regierten Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt, wo die PDS bis zum Frühjahr die SPD-Regierung im „Magdeburger Modell“ tolerierte. In diesen Ländern verlor die Linkspartei jeweils knapp 40 Prozent ihrer Wähler. In Berlin erzielte die PDS zwar nur zwei der erhofften drei bis vier Direktmandate, verlor bei den Zweitstimmen aber nur knapp ein Fünftel der Wähler. Ein „kritisches Nachdenken“ über das „Wie“ des Mitregierens sei nötig, verlangt nun der Berliner PDS-Chef Stefan Liebich. Helmut Holter, Vize-Regierungschef in Schwerin, warnt indes vor voreiligen Schlussfolgerungen: „Die PDS hat auch in der Opposition verloren. Es ist nicht die Frage der Regierungsbeteiligung.“ Die von der PDS angekündigte Überraschung im Westen indes ist ausgeblieben. In den alten Bundesländern stagnierte die PDS mit ihren Zweitstimmen bei 1,1 Prozent. Porsch warnt dennoch, sich als Regionalpartei Ost aufzustellen: „Dann würden wir noch mehr Profil verlieren.“

Eine Frage bleibt unbeantwortet – die nach personellen Konsequenzen. Sie wird vertagt, auf den Parteitag Mitte Oktober in Gera. „Es ist niemand geprügelt worden“, sagt Partei-Vize Petra Pau, künftig eine von zwei Bundestagsabgeordneten der PDS. Ob sie, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch und Parteichefin Gabi Zimmer nach Gera noch im Amt sein werden, mag am Montag keiner voraussagen. Bartsch lässt seine Kandidatur ausdrücklich offen. Nur der Chef der PDS-Strategieabteilung, Thomas Falkner, verlässt die Parteizentrale und wechselt in die Wirtschaft, nicht ohne vor einer „Re-Ideologisierung“ der Partei zu warnen.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false