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Rasmussen

© ddp

Generalsekretär: Dänischer Dickschädel für die Nato

Umstritten, aber auch pragmatisch: Der neue Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen steht vor schwierigen Aufgaben.

So energisch, wie der neue Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auftritt, so zurückhaltend war sein Vorgänger, der Niederländer Jaap de Hoop Scheffer. Rasmussen steht ab Samstag an der Spitze der Verteidigungsgemeinschaft, hat jedoch zuvor fast ein Jahrzehnt die Geschicke Dänemarks gelenkt.

In seiner Amtszeit als Ministerpräsident hat der 56-Jährige sichtbare Spuren hinterlassen: Die islamische Welt und ihr voran die Türkei als Nato-Mitglied haben seine Politik im Fall der Mohammed-Karikaturen nicht vergessen. Dementsprechend galt Rasmussens Ernennung bis zuletzt als höchst umstritten. US-Präsident Barack Obama war letztlich der Durchbruch gelungen, als er mit deutscher und französischer Rückendeckung in der Türkei persönlich für Rasmussen bürgte.

Für seinen gesunden Lebensstil mit Fitnessprogramm ist Rasmussen bekannt. Und so wollten viele gleich ein böses Omen darin sehen, dass er sich im April bei seinem ersten Besuch als designierter Nato-Chef in Istanbul die Schulter ausrenkte. Rasmussen sprach dort versöhnlich von einer „Allianz der Zivilisationen“, weigerte sich aber, die von der Türkei geforderte Entschuldigung für seine Haltung im Karikaturenstreit abzugeben. Aber nicht nur Rasmussens Rückendeckung für die rechtskonservative Zeitung „Jyllands-Posten“, in der Ende 2005 zwölf Mohammed-Karikaturen erschienen waren, werden ihm angekreidet. Als diplomatisch ungeschickt wurde kritisiert, dass er Botschaftern aus islamischen Ländern, die den Vorfall mit ihm erörtern wollten, einen Korb gab. Zu seinem Ruf hat auch seine Freundschaft zum US-Präsidenten Georg W. Bush und Dänemarks starke militärische Beteiligung am Irakkrieg beigetragen.

Der muslimische Aufschrei im Karikaturenstreit hatte das kleine Dänemark stärker als je zuvor ins Rampenlicht gerückt. Die westliche Presse stand zu großen Teilen hinter den Dänen und wertete die islamische Sicht der Dinge als Zeichen undemokratischen Denkens. Doch dass es zu diesem Eklat kommen konnte, hat vor allem innenpolitische Gründe. Seit 2001 regierte Rasmussen das Land mit einer Rechtsregierung. Er musste immer wieder Zugeständnisse an die rechte, islamfeindliche Dänische Volkspartei machen, die die Regierung stützte. So führte seine Verschärfung des Ausländergesetzes gar zu einer Rüge des Menschenrechtskommissars des Europarats. In seiner Amtszeit verschlechterte sich das Klima zwischen der muslimischen Gemeinschaft und der restlichen Bevölkerung deutlich, sagen Ausländerverbände einhellig. Während die Wirtschaft jahrelang boomte und die Arbeitslosenraten niedrig blieben, machten Themen wie Kopftuchträgerinnen im Beruf einen absurd großen Teil der politischen Debatte aus.

All das wird Rasmussen nicht hilfreich sein, wenn es um den Einsatz der Nato in Afghanistan geht. 64 500 Soldaten kämpfen dort gegen die Taliban und sind für einen dauerhaften Erfolg auf die Hilfe von Pakistan und dem Iran angewiesen. Insbesondere der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zweifelte offen an Rasmussens Fähigkeiten, in diesem Rahmen „zum weltweiten Frieden beizutragen“.

Doch in der Waagschale liegen auch diplomatische Erfolge auf dem internationalen Parkett. Noch neu im Amt des Premiers, stellte er 2002 als EU-Ratspräsident mit Verhandlungsgeschick und Hartnäckigkeit die Weichen für die EU-Osterweiterung. Erfahrung und Selbstbewusstsein wird er denn auch brauchen, wenn während seiner vierjährigen Amtszeit um den Nato-Beitritt Georgiens und der Ukraine gegen den Willen Russlands gerungen wird.

Heikel ist auch die angestrebte größere Transparenz der Nato. Wie ein EU- Ratspräsident muss er hier mit geringer Machtausstattung das Zusammenspiel von starken Staaten dirigieren. Dass er 28 Nato-Mitglieder auf einen Nenner bringt, das trauen ihm viele zu. Es heißt, er wisse, wie Peitsche und Zuckerbrot bei Verhandlungen perfekt zum Einsatz gebracht werden. Und wandlungsfähig ist er obendrein: Als Pragmatiker hatte er sich in Dänemark von einem neoliberalen Politiker zu einem Garanten des dänischen Wohlfahrtsstaats entwickelt. Gelingt ihm in der Islam-Politik eine ähnliche Wende, könnte er in Brüssel und vor allem in Afghanistan einiges bewegen.

André Anwar[Stockholm]

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