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Politik: „Generationendebatte ist überfällig“

Auch Spitzenmanager warnt vor demographischer Katastrophe / CDU-Politiker: Mißfelder soll sich entschuldigen

Berlin. Mit der Debatte über Generationengerechtigkeit sieht der Aufsichtsratschef von Bertelsmann, Gerd Schulte-Hillen, eine Auseinandersetzung heraufziehen, „der wir nur schwer Herr werden können“. Der Konflikt zwischen den Generationen werde sich nicht entschärfen. „Im Gegenteil: Wir erleben eine demographische Katastrophe, die im Zeitlupentempo abläuft“, sagte Schulte-Hillen dem Tagesspiegel. Unterdessen verschärft sich die Kritik am Vorsitzenden der Jungen Union (JU), Philipp Mißfelder, der eine Rationierung medizinischer Leistungen für betagte Senioren gefordert hatte. Mißfelder verteidigte aber seine Thesen.

Von Markus Feldenkirchen

und Ursula Weidenfeld

„Es ist richtig und überfällig, dass die Diskussion angestoßen wurde und geführt wird, sagte Schulte-Hillen, der auch zum Präsidium der Bertelsmann-Stiftung gehört, die gerade an einem Großprojekt zum demographischen Wandel arbeitet. Nur wenn es der Politik rasch gelänge gegenzusteuern, könnten allzu abrupte Veränderungen und Verschlechterungen für alle Seiten noch vermieden werden, sagte Schulte-Hillen. „Aber die Zeit für diese Lösungen läuft ab. Sonst sehe ich in wenigen Jahren eine Auseinandersetzung, der wir nur schwer Herr werden können." Der Aufsichtsratschef forderte, alle müssten länger arbeiten. Das gelte sowohl für die Wochenarbeitszeit als auch für die Lebensarbeitszeit. „Die Rentner werden Zugeständnisse bei der Rentenanpassung machen müssen“, sagte er. Vorher solle die Politik aber die Reserven in den Systemen mobilisieren. „Wenn sich jedoch weiterhin nur die Interessengruppen gegenseitig blockieren, bleibt wohl nur ein Ombudsmann, der in der Politik die Belange der nächsten Generationen vertritt“, sagte Schulte-Hillen. Das aber wäre „ein Armutszeugnis für diese Gesellschaft“.

JU-Chef Mißfelder, der unter anderem gefordert hatte, die Solidargemeinschaft solle 85-Jährigen künftig keine künstlichen Hüftgelenke mehr finanzieren, legte unterdessen nach und verlangte Einschnitte für Senioren. „Wir haben die reichste Rentnergeneration“, sagte Mißfelder der „Wirtschaftswoche“. „Neben der Arbeitslosigkeit ist die Spitzenversorgung der Alten dafür verantwortlich, dass die Beitragssätze bei Rente und Gesundheit in den vergangenen Jahren kräftig nach oben geklettert sind.“ Zugleich sagte der JU-Vorsitzende der dpa: „Ich will keinen Generationenkrieg.“ Zurücknehmen wolle er jedoch nichts. Als JU-Vorsitzender müsse er die Interessen seiner Generation vertreten. Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) hatte zuvor vor einem „Krieg der Generationen“ gewarnt. Auch aus den Reihen der Union wurde Mißfelder am Mittwoch wieder heftig kritisiert. Der ehemalige JU-Chef in Bayern, Markus Söder, nannte Mißfelders Äußerungen „unreifes Gequatsche“ und empfahl ihm, sich für seine „Parolen“ zu entschuldigen. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler schrieb in einem Beitrag für den Tagesspiegel, Mißfelder und andere seien „leider die mentalen Opfer einer zwar inzwischen verunsicherten, aber immer noch herrschenden Ideologie, nämlich des neoliberalen Marktfundamentalismus, der alle Probleme nur noch unter Kostengesichtspunkten diskutiert“.

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