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Politik: Gentechnik: Heil aus dem Labor?

Die Ursachen für den Hunger auf der Welt sind lange bekannt; die Möglichkeiten, ihn abzuschaffen, auch. Auf der Konferenz zur nachhaltigen Ernährungssicherheit in Bonn soll es bis Donnerstag deshalb darum gehen, Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft und ihre sich teilweise ausschließenden Konzepte einander anzunähern.

Die Ursachen für den Hunger auf der Welt sind lange bekannt; die Möglichkeiten, ihn abzuschaffen, auch. Auf der Konferenz zur nachhaltigen Ernährungssicherheit in Bonn soll es bis Donnerstag deshalb darum gehen, Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft und ihre sich teilweise ausschließenden Konzepte einander anzunähern. Auch soll der Welternährungsgipfel im Herbst vorbereitet werden. Kern der Konferenz ist die Diskussion einer Szenarien-Sammlung für die nächsten 20 Jahre, die vor zwei Wochen vom Veranstalter, dem Internationalen Nahrungsmittelforschungsinstitut (Ifpri) in Washington, vorgestellt wurde.

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik Eine Hoffnung der Experten ist der flächendeckende Einsatz genetisch veränderter Getreidesorten. Das wird aber vor allem von europäischen Politikern kritisch gesehen. "Die Gentechnik kann den Hunger nicht beseitigen", sagte Entwicklungshilfe-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul in Bonn, "weil die Armut das zentrale Problem ist." So lange Hungernde sich Lebensmittel schlicht nicht leisten könnten, sei es nebensächlich, ob diese natürlichen Ursprungs sind oder im Labor erzeugt. Stattdessen komme es darauf an, Exportsubventionen für Agrarprodukte aus den Industrieländern abzuschaffen. Das "perverse System" der EU-Agrarwirtschaft, so Wieczorek-Zeul wörtlich, verringere die Marktchancen der Bauern in den Entwicklungsländern.

Bundespräsident Johannes Rau, der die Konferenz eröffnete, forderte ebenfalls eine Änderung der Handelsregeln. Er nannte es einen Skandal, dass weltweit mehr als 800 Millionen Menschen chronisch an Hunger leiden und täglich 24 000 Menschen an den Folgen von Unterernährung sterben. "Das ist nicht normal", sagte Rau. "Das ist auch kein Schicksal. Das können wir ändern."

Neben den Ausfuhrgesetzen der EU hemmen auch die europäischen Importregeln den Aufbau einer sich selbst tragenden Landwirtschaft in den Entwicklungsländern. So steigen die Einfuhrzölle mit der "Fertigungstiefe" eines Produkts. Für ein Auto ist ein höherer Zoll fällig als für Rohstoffe. Das bedeutet, dass zum Beispiel asiatisches Getreide auf den Märkten der Industrieländer konkurrenzfähiger ist als Industrieprodukte von dort. Die Entwicklungsländer werden also zollrechtlich dafür belohnt, ihr Getreide zu exportieren. Das sei die "Fortführung kolonialer Strukturen", sagte Wieczorek-Zeul.

Beim Ifpri glaubt man indessen nicht, dass der Hunger ohne Ertragssteigerung, im Zweifel durch Gentechnik, abzuschaffen ist. "Über die Hälfte der Bauern in Südostasien", so Ifpri-Direktor Per Pinstrup-Andersen, "lebt von Feldern, die halb so groß sind wie ein Fußballfeld." Auch eine andere Entwicklungspolitik forderte er. Es gehe nicht, "dass zu 75 Prozent der Armen nur zehn Prozent der weltweiten Hilfszahlungen gelangen".

Es wird auch nicht gehen ohne zusätzliches Geld. Um den Hunger in den nächsten 20 Jahren so zu senken, dass nur noch halb so viele Menschen daran sterben, bedarf es laut Ifpri 20 Milliarden Mark. Unterdessen warnt die UN-Welternährungsorganisation vor einer Hungersnot in Mittelamerika. Eine anhaltende Dürre in El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua verschärfe die ohnehin bestehende Krise der vier Länder.

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