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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer

© dpa/Rainer Jensen

Streit in der Union: Genug vom Geschwisterkrieg

Das Gezänk zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU geht in den siebten Monat. Der Unmut in Reihen der Unionsparteien wächst.

Von Robert Birnbaum

Gerda Hasselfeldt reicht es jetzt. Die CSU-Landesgruppenchefin steht mit ihrem Unmut nicht alleine, aber weil es sonst keiner laut sagt, muss sie es eben selber machen. "Die Wähler wollen nicht, dass wir uns immer nur mit uns selbst beschäftigen und jedes Wort auf die Goldwaage legen", sagt Hasselfeldt. "Man darf da nicht gleich so empfindlich sein." Wen sie damit meint, sagt sie nicht. Aber sollte zum Beispiel ihr Parteivorsitzender Horst Seehofer sich angesprochen fühlen, liegt er nicht falsch.

Der Geschwisterkrieg im Unionslager geht mittlerweile in den siebten Monat. Wer gedacht hat, er sei nicht mehr steigerungsfähig, sieht sich immer wieder getäuscht. Am Montag trug Seehofer seinem Parteivorstand in München eine regelrechte Verschwörungstheorie vor, über die zuerst die "Bild"-Zeitung berichtete: "Bis ins Kanzleramt hinein" gebe es Kräfte in der CDU, die die bayerische Schwesterpartei als "Fehlkonstruktion" betrachteten und beseitigen wollten. Gemeint war offenbar Angela Merkels Amtschef Peter Altmaier, der als Flüchtlingskoordinator und historischer Schwarz-Grün-Freund neuerdings doppelt zum Feindbild taugt.

Nun hatte der CSU-Chef, sagen manche in seiner Partei, immerhin gewisse nachvollziehbare Gründe dafür, auf die CDU-Chefin schon wieder sauer zu sein. Dass Merkel für das geplante Versöhnungstreffen Ende Juni ausgerechnet das Berliner Adenauer-Haus als Ort vorgeschlagen habe, sei als Foul verbucht worden.

Zweikampf der Spitzenleute

Der CSU-Gegenvorschlag Leipzig sei allerdings gar nicht als das Revanchefoul gemeint gewesen, als den ihn Merkel deutete. Das mag sein. Nur ist Leipzig in der gemeinsamen Geschichte von Seehofer und Merkel nun mal eindeutig ein vergifteter Ort. Dort fand einst jener CDU-Parteitag statt, der Merkels Gesundheitsprämie absegnete und Seehofers bis dahin bitterste Niederlage besiegelte – der damalige Gesundheitspolitiker verlor im Kampf gegen die "Kopfpauschale" alle Ämter.

Die Schmach nagt in ihm bis heute. Die enorme emotionale Aufladung des Parteigeschwisterkriegs, der ja im Kern ein Zweikampf der Spitzenleute ist, hat hier einen ihrer tiefen Gründe. Diese Aufladung lässt nicht nur in der CDU führende Politiker fragen, was Seehofer eigentlich will. Soll Merkel etwa auf Knien vor ihm kriechen und öffentlich bekennen, dass sie in der Flüchtlingspolitik praktisch alles falsch gemacht habe? Das wird natürlich nicht passieren.

In der praktischen Politik hat die Kanzlerin längst die Wende hin zu einer massiven Begrenzung der Flüchtlingszahlen vollzogen. Dass der CSU-Chef die Kampfzone daraufhin zum Grundsatzkonflikt über die Ausrichtung der Union im Spektrum "Mitte-Rechts" ausweitete, wird in der CDU von vielen als Versuch der kleinen Schwester gewertet, jetzt symbolisch gleich den gesamten Modernisierungskurs der Merkel-Zeit rückabzuwickeln – und das bloß aus Angst vor der AfD.

„Jetzt ist ein Zustand erreicht, der der Union im Ganzen schadet“

Dieser Eindruck trägt übrigens dazu bei, dass Kritik an Merkels Sturheit in den eigenen Reihen bisher ausbleibt. Nur sehr leise ist dort gelegentlich zu hören, dass der Kanzlerin ja auch kein Zacken aus der Krone bräche, wenn sie manchen Satz aus der Frühphase ihrer "Willkommenskultur" im Rückblick als etwas zu enthusiastisch werten würde.

So oder so reicht es jetzt nicht nur Gerda Hasselfeldt. Dazu mag die jüngste Umfrage im Auftrag von "Bild" beitragen, in der das Insa-Institut die Union nur noch bei 30 Prozent sieht. Andere Institute messen derart niedrige Werte bisher nicht, aber 33 Prozent sind auch nicht viel erfreulicher.

Bisher hat die CDU-Spitze dem Zwist München-Berlin überwiegend kommentarlos zugeschaut. Doch jetzt fordern auch führende CDU-Politiker, das Feuer einzustellen. "Jetzt ist ein Zustand erreicht, der der Union im Ganzen schadet", warnt Innenminister Thomas de Maizière. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die CSU so deutlich wie nie in die Schranken gewiesen. "Wie in der Union miteinander umgegangen wird, ist ziemlich einseitig: Es gibt nichts Vergleichbares aus der CDU gegenüber der CSU, nicht im Ganzen und nicht gegenüber Einzelnen - null", sagte Schäuble im ZDF. "Die Formulierung 'Streit zwischen Merkel und Seehofer' muss ich zurückweisen. Es sind Attacken gegen Merkel."

„Uns verbindet viel mehr, als uns trennt“

"Ich bin der festen Überzeugung, dass die wöchentliche Kritik aus München der Union insgesamt schadet", sagt fast wortgleich der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Michael Große-Brömer. Die miesen Umfragen erklären sich zumindest "zum Teil" auch durch den Dauerstreit. Dabei sei der in der Sache völlig überflüssig: "Aus Sicht der Bundestagsfraktion funktioniert die Zusammenarbeit."

Sein Chef Volker Kauder sieht das ebenso. CSU-Statthalterin Hasselfeldt auch: "Uns verbindet ja viel mehr, als uns trennt." Unterschiedliche Meinungen, auch lautstarker Streit sei ja in Ordnung, nur dürfe der nicht in der Aufarbeitung der Vergangenheit steckenbleiben und bei der Frage, "wer hat jetzt eigentlich wann recht gehabt".

Das kann man auf beide Streithähne beziehen. Ein weiterer Satz gilt hingegen exklusiv dem eigenen Vorsitzenden: "Ich glaube nicht, und das sollten wir auch nicht den Menschen einreden, dass das Vertrauen der Menschen in die Kanzlerin nicht mehr vorhanden ist."

Ob die gemeinsamen Appelle aus Berlin in Richtung München etwas bewirken, ist offen. Am Mittwochabend wollten sich Merkel und Seehofer zum Vier-Augen-Gespräch treffen. Ob dabei der Zank zur Sprache kommen würde, war offen; dass er damit ausgeräumt wird, war unwahrscheinlich, schon weil beide nur wenig Zeit hatten. Immerhin galt als nicht ganz ausgeschlossen, dass der peinliche Streit um den Ort für das Versöhnungstreffen beigelegt wird. Hasselfeldt hätte auch da einen pragmatischen Vorschlag: Ihr sei jeder Ort recht.

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