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Der georgische Oligarch Bidsina Iwanischwili in seiner Villa in Tiflis.

© dpa

Georgien: Der Wahlsieger will den Rücktritt des Präsidenten

Die Opposition, geführt von dem Milliardär Bidsina Iwanischwili, gewinnt die Parlamentswahl. Staatsoberhaupt Michail Saakaschwili gesteht die Niederlage ein und gibt sich vorerst maßvoll. Doch finden beide Seiten zu dem nötigen Kompromiss? Die Zweifel wachsen.

Das endgültige Wahlergebnis stand noch lange nicht fest, da gestand Georgiens Präsident Michail Saakaschwili ein, dass seine Partei Nationale Bewegung die Parlamentswahl am Montag verloren hat. Er kündigte an, als Staatsoberhaupt mit der neuen Mehrheit im Abgeordnetenhaus konstruktiv zusammenarbeiten zu wollen. Dies werde er tun, auch wenn seine Partei nicht mit den Werten übereinstimme, die das Bündnis Georgischer Traum des Milliardärs Bidsina Iwanischwili vertrete. Das Eingeständnis der Niederlage ist beispiellos für Georgien, wo es noch nie einen Machtwechsel durch Wahlen gab.

Nun ist es an der bisherigen Opposition, sich konstruktiv gegenüber dem Präsidenten zu zeigen. Dessen Amtszeit endet regulär Ende 2013. Doch erste Signale deuteten auf wenig Kompromissbereitschaft bei Iwanischwili hin, der Premierminister werden will. Kurz nach dem Statement des Präsidenten äußerte der Oppositionsführer die Erwartung, dass Saakaschwili seinen Rücktritt einreicht. Iwanischwili hatte dies von Anfang an zum Ziel erklärt und in Interviews immer wieder deutlich gemacht, dass dies die Hauptmotivation für seinen Gang in die Politik vor einem Jahr war. Vorher hatte er über Jahre ohne Wissen der Öffentlichkeit die Regierung mit finanziellen Gaben etwa für Ministergehälter unterstützt.

Hinzu kamen am Mittwoch Berichte, dass Mitglieder der Wahlkommission in mehreren Orten von Anhängern Iwanischwilis bedrängt und unter Druck gesetzt wurden. Es handele sich um Wahlbezirke, in denen nach den vorläufigen Ergebnissen die Nationale Bewegung die Abstimmung gewonnen hatte. Der Chef der Parlamentarischen Wahlbeobachtergruppe der Nato, Assen Agov, äußerte sich besorgt. Maja Panjikidse, die Sprecherin von Georgischer Traum, bestätigte, dass sich vor mehreren Wahllokalen in der Provinz Anhänger versammelt hätten, um gegen angebliche Wahlfälschungen zu protestieren. Mitglieder von Georgischer Traum vor Ort hätten die Anhänger aufgerufen, Ruhe zu bewahren und offene Fragen vor den zuständigen Gremien klären zu lassen, auf keinen Fall aber gewalttätig zu werden. Iwanischwili äußerte sich zunächst nicht öffentlich dazu. Vonseiten der Nationalen Bewegung wurden Vermutungen geäußert, dass sich der politische Gegner auf diese Weise die Mehrheit im Parlament sichern wolle.

Es deutet sich an, dass die politische Stimmung sich erneut aufheizt wie schon in den Tagen vor der Parlamentswahl, als beide Seiten eine regelrechte Schmutzkampagne gegeneinander führten und täglich Menschen zum Protest auf die Straßen gingen. Auch jetzt könnten tatsächliche oder vermeintliche Schuldbeweise genutzt werden, um die öffentliche Stimmung zu beeinflussen. Seit Wochen kursieren Gerüchte, es könnten Fakten über den Tod des ehemaligen Premierministers Surab Schwania im Jahr 2005 bekannt werden. Offiziell starb er bei einem Unfall. Doch viele glauben bis heute an Mord.

Doch selbst, wenn sich Iwanischwilis Bündnis und die Nationale Bewegung um Einverständnis bemühen, könnte die Regierungsbildung schwierig werden. Grund ist, dass derzeit noch eine alte Verfassung gültig ist und eine neue erst in Kraft tritt, wenn die Amtszeit des Präsidenten abgelaufen ist. Zusätzlich gibt es für einige Paragrafen Übergangsregeln. So sind sich Rechtsexperten nicht in allen Details einig. Fest steht, dass sich Präsident und Parlament einig sein müssen, um einen Premier und die Regierung bestimmen zu können.

Bleibt Präsident Saakaschwili bei seiner konstruktiven Haltung, wird es auf seinen Kontrahenten Iwanischwili ankommen, sich zu einem Kompromiss bereitzufinden. Bislang konnte er das heterogene Bündnis von westlich bis hin zu nationalistisch orientierten Oppositionellen zusammenhalten, nicht zuletzt aufgrund seines Multi-Milliarden-Vermögens.

Im Juli noch hatte Iwanischwili eingestanden, nicht gern Politiker zu sein. Zwar zeigte er sich bei der Wahlkampfkundgebung seines Bündnisses am Samstag rhetorisch in viel besserer Form als zum Wahlkampfauftakt im Mai. Doch wird er bei Pressekonferenzen von Journalisten mit harten Fragen unter Druck gesetzt, reagiert er unwirsch und schroff, vor allem, wenn es um die Vorwürfe der Regierung geht, er sei eine Marionette des Kreml und wolle die georgische Mafia zurück in die Heimat holen. Auch viele seiner Handlungen warfen Fragen auf. Sie wirkten eher wie ein Business-Plan als eine politische Strategie.

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