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Bidsina Iwanischwili (56) hat lange zurückgezogen als wohltätiger Millionär gelebt. Sein Bündnis "Georgischer Traum" gewann Anfang Oktober die Parlamentswahl, er wurde Premierminister.

© dapd

Georgiens Premierminister im Interview: "Ich bin ein großer Demokrat"

Georgiens Premierminister, Bidsina Iwanischwili, spricht im Tagesspiegel-Interview über Demokratiedefizite in seinem Land, ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Sakaschwili sowie den Wunsch Georgiens, in die europäische Familie aufgenommen zu werden.

Mehr als neun Jahre bestimmten in Georgien Präsident Saakaschwili und seine Partei UNM die Geschicke des Landes, bis im vergangenen Jahr der Milliardär Bidsina Iwanischwili auf der politischen Bühne auftauchte. Bis dahin hatte er zurückgezogen als wohltätiger Millionär gelebt. Sein Bündnis "Georgischer Traum" gewann Anfang Oktober die Parlamentswahl. Er wurde Premierminister. Saakaschwilis Amtszeit endet im nächsten Jahr. Iwanischwili unternahm seine erste Auslandsreise nach Brüssel, wo das Interview stattfand.

Herr Iwanischwili, welchen Unterschied sehen Sie zwischen der Arbeit eines erfolgreichen Geschäftsmannes und der des Premierministers?

Ich glaube, der Unterschied ist nicht so groß. Ich meine damit natürlich nicht das Geld. Aber wahrscheinlich ist es noch zu früh, darüber zu sprechen. Wenn Sie in einem oder anderthalb Jahren fragen, wenn ich auch als Premierminister erfolgreich bin, kann ich die Frage besser beantworten.

Ihre erste Auslandsreise hat Sie nach Brüssel geführt.  Wie ist es für Sie, als Premierminister Georgiens in Brüssel empfangen zu werden?

Es waren herzliche und angenehme Treffen. Der Wunsch, in die europäische Familie aufgenommen zu werden, ist gewachsen. Denn ich habe Europa genauso vorgefunden habe, wie ich es mir vorgestellt habe.

Es wurden doch aber auch Bedenken geäußert. EU-Komissionspräsident Manuel Barroso zeigte sich besorgt über eine selektive Justiz in Georgien. Vor wenigen Tagen wurden der ehemalige Innen- und Verteidigungsminister Bacho Achalaia sowie zwei Armeegeneräle festgenommen. Konnten Sie Barrosos Bedenken ausräumen?

Ja, Barroso hat Bedenken geäußert, aber keine sehr großen. Ich habe ebenfalls Bedenken, und auch für mich ist es nicht angenehm, dass der ehemalige Verteidigungs- und Innenminister festgenommen wurde. Ich habe Herrn Barroso erklärt, wie enttäuscht ich darüber war und dass wir keine selektive Jurisprudenz haben.

Gegen den ehemaligen Minister Achalaia gibt es seit Jahren Vorwürfe, er habe Menschenrechte verletzt. Aber die Festnahme des Generalstabschefs der Armee, Giorgi Kalandadze, wirkt wie ein Machtkampf zwischen dem neuen Verteidigungsminister und Präsidenten Saakaschwili. Er bestimmt den Generalstabschef, aber laut Medienberichten will der neue Verteidigungsminister einen Vertrauten auf diesen Posten berufen.

Es gibt keinen Machtkampf zwischen dem Verteidigungsminister und dem Präsidenten. Achalaia und Kalandadze waren zur gleichen Zeit im Verteidigungsministerium tätig und es geht um den gleichen Fall. Es ist andererseits richtig, dass es gegen Achalaia mehr Vorwürfe gibt als gegen Kalandadze. 

Aber wir haben keinen Einfluss auf den Generalstaatsanwalt, der die Anklage erhoben hat. Wir wissen, dass er ein ehrlicher und akkurater Mensch ist. Wir haben auch eine sehr gute Justizministerin. Beide sind Musterbeispiele für Gerechtigkeit, Sauberkeit und Ehrlichkeit. Deshalb habe ich sie für diese Ämter ausgewählt. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst. Selbst wenn ich die beiden auffordern würde oder der große Gott, etwas zu tun, dann würden sie auf keinen Fall dem Gesetz zuwiderhandeln. Wir haben keinen Einfluss auf sie.

Aber ist es sich nicht problematisch, dass der neue Generalstaatsanwalt vorher Ihr persönlicher Anwalt war?

Ja, das war ein Problem. Er war so geradlinig und ehrlich, dass man überhaupt keinen Einfluss auf ihn hatte. Weil er so ist, habe ich ihn zum Generalstaatsanwalt gemacht.  Ich bin mir sicher, dass er unabhängig handelt.

Wird es ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Saakaschwili geben?

Während des Wahlkampfes haben Sie schwere Vorwürfe gegen Präsident Saakaschwili erhoben und ihm den Rücktritt nahegelegt. Wird es ein Impeachment-Verfahren gegen Präsident Saakaschwili geben?

Ich meinerseits habe nicht den Wunsch. Es wäre vor allem schwierig in Europa nachzuvollziehen. Es würde aussehen wie politische Rache und nicht wie ein gerichtliches Verfahren. Wir haben bisher der Versuchung widerstanden und werden es weiterhin tun, um dem Land zu helfen, das Gesicht zu wahren. Aber ich kann die Justiz nicht von ihrer Arbeit abhalten.

Der Präsident wirkt im Moment recht schwach und auch Institutionen wie das Gerichtssystem sind nicht stark und unabhängig. Können Sie verstehen, dass es Sorgen gibt, dass Sie nun die Macht in Ihren Händen konzentrieren könnten wie bislang Präsident Saakaschwili?

Meine Politik besteht nicht aus Heuchelei. Saakaschwilis Leute kamen, betrieben Geschäfte und raubten das Land aus. Ich dagegen habe zwei Milliarden für das Land ausgegeben und werde dies fortsetzen. Ich bin ein großer Demokrat. Ich bin strikt, prinzipientreu, geradlinig und klar. Deshalb besteht eine solche Gefahr nicht.

Sie warfen Saakaschwili vor, er und seine Verbündeten hätten den Wirtschaftssektor unter ihre Kontrolle gebracht. Inwieweit wollen Sie nun anders handeln?

Ja, die Wirtschaft Georgiens ist monopolisiert. Ich vertrete einen liberalen Ansatz und bin für Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Ich hatte bereits ein Treffen mit Wirtschaftsvertretern, um ihnen dieses Konzept zu erklären. 

Werden Sie offenlegen, welche Unternehmen und Anteile Sie besitzen? Bekannt ist, dass Sie in Georgien die Cartu-Bank und die Progress-Bank besitzen.

An der Progress-Bank halte ich einen Anteil von 25 Prozent. Die Cartu-Bank ist das einzige Unternehmen, das ich in Georgien aufgebaut habe. Sie wurde gegründet, um in Georgien Investitionen zu tätigen und dies soll sie auch künftig fortführen. Mein Plan ist es, die Wirtschaft mit Investitionen wiederzubeleben. Mein wichtigstes Vorhaben ist die Schaffung von Jobs und Unternehmen. Dies wird sogar dazu beitragen, die Konflikte um die besetzten Gebiete Abchasien und Südossetien zu befrieden.

 

Nach der Wahl brachen in mehreren Städten Georgiens Streiks für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen aus, zum Beispiel bei den Bergarbeitern in Chiatura oder den Hafenarbeitern in Poti. In Poti wurde der Streik beendet, nachdem Ihr Wirtschaftsminister dort eine Lohnerhöhung von 20 Prozent ausgehandelt hatte. Geben Sie Geld, um die Löhne zu erhöhen?

Nein, nein. Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass die Leute offen ihren Unmut zeigen. Das konnten sie vorher nicht. Die Menschen arbeiteten wie Sklaven, weil wir kein vernünftiges Recht für Arbeitnehmer haben. Nur die Arbeitgeber haben Rechte.

Es gab Streiks an mehreren Orten und wir hatten Fragen an einige Unternehmensbesitzer. Aber wir haben alles getan, um sie nicht unter Druck zu setzen. In Poti haben wir in einem Verhandlungsprozess unter Einbezug aller Parteien erreicht, dass die Unternehmer die Löhne im Durchschnitt um 20 Prozent erhöhen. Im Bergwerk in Chiatura sind es 30 Prozent. Wir werden uns an die Gesetze halten. Es wird ein Anti-Monopol-Komitee geben und die Freiheit der Unternehmen garantiert. Zugleich werden wir alles tun, um die Unternehmer zu unterstützen.

Im Wahlkampf hatten Sie eine Verbesserung der Beziehung zum verfeindeten Nachbarn Russland angekündigt. Saakaschwili warf Ihnen vor, ein Handlanger Moskaus zu sein, unter anderem, weil Sie Ihr Vermögen in Russland gemacht haben. Nach der Wahl haben Sie einen Sondergesandten für Russland ernannt. Doch die Reaktion aus Russland war nicht sehr enthusiastisch.

Leider nicht. Ich war enttäuscht. Die Russen haben konkretere Schritte gefordert. Aber wir haben nichts Konkreteres anzubieten. Ich bin mir sicher, dass die Russen dies überdenken werden. Wir sind bereit dafür.

Planen Sie konkrete Schritte zur Verbesserung der Beziehungen zu den abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien?

Wir setzen auf das Konzept people diplomacy (Kontakt zwischen den Menschen auf beiden Seiten der Konfliktlinie). Parallel versuchen wir kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen. Und wir setzen die nach dem Krieg 2008 aufgenommenen Gespräche in Genf fort, an denen wir, Russland, Abchasien und Südossetien teilnehmen. Warten wir ab, wie sich dies entwickeln wird.

Haben Sie bereits Pläne für Ihre nächste Auslandsreise?

Ich werde voraussichtlich nach Washington reisen.

Als Sie vor einem Jahr in die Politik eintraten, wurde ihnen die georgische Staatsbürgerschaft aberkannt. Sie besaßen da auch noch die französische Staatsbürgerschaft. Mit welchem Pass reisen Sie jetzt?

Ich besitze nur die französische Staatsbürgerschaft und dies genügt laut Gesetz, um Premierminister zu sein. Würde ich wieder georgischer Staatsbürger werden, wäre das gegen die Verfassung und ich würde als Premier abgesetzt.  So sieht die georgische Verfassung aus. Das ist lächerlich. Das wird geändert wie vieles andere auch. Das Parlament arbeitet bereits an Verfassungsänderungen. Wir werden Ordnung in die Verfassung bringen.

Das Interview führte Silvia Stöber

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