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Politik: Gerüchte um Mladics Gesundheitszustand Prozessbeginn noch unklar

Serbien will Beitrittsverhandlungen nächstes Jahr

Belgrad - Der mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher Ratko Mladic leidet nach Angaben seines Anwalts an Lymphdrüsenkrebs und kann einen Prozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag möglicherweise nicht überstehen. Mladic-Anwalt Milos Saljic veröffentlichte in der Belgrader Zeitung „Press“ diese ärztliche Diagnose aus dem Jahr 2009. Danach war der Ex-General, der die schwersten Kriegsverbrechen seit 1945 in Europa begangen haben soll, vom 20. April bis zum 18. Juli 2009 in einer Belgrader Klinik zur Operation und anschließenden Chemotherapie.

Demgegenüber sagte der Sprecher der serbischen Staatsanwaltschaft, Bruno Vekaric, die veröffentlichte medizinische Diagnose sei eine Fälschung. Die angebliche Krebserkrankung sei Teil der Verteidigungsstrategie von Mladic. Schon früher hatten die Strafverfolgungsbehörden dem Anwalt vorgeworfen, die chronischen Krankheiten des 69-Jährigen „aufzublasen“.

Der Auftritt von Ratko Mladic an diesem Freitag vor dem Haager Tribunal wird zweifellos ein großes mediales Ereignis, das allerdings sehr kurz sein könnte. Angeklagt ist der ehemalige General der Armee der bosnischen Serben in 11 Punkten, zwei davon betreffen Völkermord unter anderem auch in der Stadt Srebrenica, wo mehr als 7000 Bosnier im Sommer 1995 ermordet wurden. Der vorsitzende Richter wird Ratko Mladic fragen, ob er sich schuldig oder nicht schuldig bekennt. Ein Schuldeingeständnis ist aber nicht zu erwarten; möglich ist, dass Mladic, wie so mancher andere Angeklagte, einen Aufschub von 30 Tagen beantragt, ehe er sich zur Schuldfrage äußern will.

Noch hat Mladic keinen Verteidiger ernannt, und interimsmäßig dient ein Anwalt aus Belgrad als Pflichtverteidiger, der bereits zwei Serben vor dem Tribunal vertreten hat. Ein wesentlicher Punkt wird die Frage sein, ob sich Mladic formell selbst wird verteidigen wollen, eine Möglichkeit, von der viele prominente Angeklagte bereits vor ihm Gebrauch gemacht haben. In Wirklichkeit steht natürlich hinter jedem „Selbstverteidiger“ ein ganzes Team an Anwälten, das Unterlagen sichtet und die Prozessstrategie festlegt. Derzeit ist jedenfalls noch nicht abschätzbar, wann der Prozess selbst beginnen wird.

Serbien dagegen will schnell von der EU für seine Tat belohnt werden. Die Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten zum Jahresende ist relativ sicher, wenn die Serben bis dahin noch einige Reformgesetze beschließen. Dazu zählen das Gesetz zur Parteienfinanzierung, das Gesetz über das Staatseigentum und das Restitutionsgesetz, das auch für die Nachkommen vertriebener Jugoslawien-Deutscher interessant werden könnte.

Doch Staatspräsident Boris Tadic erhofft sich nicht nur den Kandidatenstatus, sondern zu Beginn des kommenden Jahres auch die Bekanntgabe eines Datums für den Beginn von Beitrittsverhandlungen.

Dieser Wunsch wird nicht so leicht zu erfüllen sein. Denn es gilt, noch einen weiteren prominenten Angeklagten an das Tribunal auszuliefern; außerdem muss die Korruption ernsthaft angegangen und eine Justizreform in die Wege geleitet werden.

Das größte Hindernis auf dem Weg zu einem Verhandlungsbeginn heißt jedoch Kosovo. Zwar führen Belgrad und Pristina bereits seit Wochen einen Dialog über konkrete technische Fragen, von den Autokennzeichen bis zum Mobilfunkverkehr, doch ein stabiler Modus Vivendi ist noch nicht in Sicht. Serbien und der Kosovo werden jedoch zu einer Normalisierung finden müssen, wie sie einst auch zwischen der BRD und der DDR geherrscht hat, um auch die größeren EU-Mitglieder davon überzeugen zu können, dass die Zeit reif ist, Serbien ein konkretes Datum für Beitrittsverhandlungen zu nennen.

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