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In Arbeit. Was Hartz-IV-Empfänger am Ende tatsächlich empfangen, ist noch ungewiss.

© dpa

Arbeitslosengeld II: "Geschacher" um Hartz IV

SPD und Grüne drohen mit einem Scheitern der Hartz-IV-Verhandlungen. Ein Spitzengespräch soll nun den Durchbruch bringen. Um welche Knackpunkte geht es?

Berlin - SPD und Grüne haben mit einem Scheitern der Hartz-IV-Verhandlungen gedroht, falls Union und FDP in den nächsten Tagen nicht deutliches Entgegenkommen zeigen. Die Bundesregierung müsse sich in den Gesprächen „endlich substanziell bewegen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast dem Tagesspiegel. Das „Geschacher“ von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) „ auf dem Rücken der Betroffenen muss ein Ende haben. Wir brauchen verfassungskonforme Regelsätze, einen Mindestlohn für Zeitarbeit und Weiterbildung und mehr Investitionen in die Bildungsinfrastruktur statt bürokratischem Gutscheinchaos in den Kommunen“, forderte Künast.

„Der grüne Arm wird sich nur heben, wenn wir zu einem gerechten und verfassungsgemäßen Ergebnis kommen“, sagte die Grünen-Politikerin. Leyen müsse „endlich verstehen, dass sie keine Mehrheit hat und ihr die Zeit davonläuft. In Berlin warten 175 000 Kinder auf bessere Bildungsförderung, und die brauchen sie eher gestern als übermorgen“, mahnte die Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Abgeordnetenhauswahl. Und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier betonte in der Berliner Zeitung: „Wenn sich nichts bewegt, müssen wir ablehnen.“

Bei einem Spitzengespräch am Montagabend soll Schwung in die festgefahrenen Gespräche kommen: Dann wollen Leyen, SPD-Vizechefin Manuela Schwesig, CSU- Chef Horst Seehofer, Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn, der FDP-Sozialexperte Heinrich Kolb und die Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) und Thomas Oppermann (SPD) über Eckpunkte verhandeln. Am Dienstag könnten dann die Fraktionen über den Kompromiss beraten und der Bundesrat bei seiner nächsten Sitzung am 11. Februar die Neuregelung verabschieden. SPD und Grüne knüpfen ihre Zustimmung daran, dass sich in allen Bereichen etwas bewegt.

Regelsatz: Der Regelsatz für erwachsene Hartz-IV-Empfänger soll laut Schwarz- Gelb um fünf Euro auf 364 Euro im Monat steigen. SPD, Grüne und Linke halten die Berechnungen für problematisch. Bei einer erneuten Klage, argumentieren sie, könne der Vorschlag wieder als verfassungswidrig kassiert werden. Durch Tricks sei der Regelsatz niedrig gehalten worden: So seien nur die unteren 15 Prozent der Einkommensbezieher mit ihrem Konsum als Vergleichsgruppe herangezogen worden statt wie bisher 20 Prozent. Außerdem würden auch verdeckt Arme und Hartz-IV-Bezieher mit Zuverdiensten berücksichtigt, was ebenfalls das Niveau drückt. Drittens seien Ausgabeposten gestrichen worden – Alkohol, Tabak und Schnittblumen.

Bisher lassen Union und FDP wenig Bereitschaft erkennen, den Regelsatz zu erhöhen. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass Zahlungen für Ehrenämter (Übungsleiterpauschale oder Aufwandsentschädigungen für Bürgermeister) nicht auf Hartz IV angerechnet werden sollen. Außerdem ist im Gespräch, dass Hartz-IV-Empfänger künftig einen neuen Kühlschrank oder eine Waschmaschine („weiße Ware“) als Sonderbedarf beantragen können, und nicht mehr die im Regelsatz dafür monatlich vorgesehen drei Euro dafür ansparen müssen. Das Arbeitsministerium ließ außerdem in dieser Woche vom Statistischen Bundesamt neue Daten zur Berechnung des Regelsatzes zusammenstellen – womöglich ein Hinweis auf ein Kompromissangebot: Wenn Hartz-IV-Empfänger mit einem Zuverdienst von bis zu 100 Euro im Monat herausgerechnet würden, käme nach Berechnungen der Links-Fraktion ein Regelsatz von 370 Euro im Monat heraus (plus elf Euro gegenüber heute), wenn alle Aufstocker herausgerechnet würden, wären es 376 Euro (plus 17 Euro). Für die Linke wäre aber auch diese Erhöhung Grund, erneut vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Bildungspaket: Für die Kinder aus Hartz-IV-Familien soll es Zuschüsse zum Schul- oder Kita-Mittagessen geben, außerdem für Schulausflüge und Nachhilfe. Für Vereinsbeiträge sind zehn Euro im Monat vorgesehen. Einigkeit besteht darüber, dass auch Kinder von Geringverdienern profitieren sollen (Kinderzuschlag- und Wohngeldempfänger). Strittig ist noch die Umsetzung: Die Arbeitsministerin wollte die Jobcenter einschalten und 1300 neue Stellen schaffen, die Opposition will die Kommunen beauftragen. SPD und Grüne verlangen außerdem mehr Geld für Sozialarbeiter.

Mindestlohn: In der Leiharbeitsbranche soll es eine Lohnuntergrenze geben. Damit soll Lohndumping ab dem 1. Mai verhindert werden, denn dann dürfen osteuropäische Firmen unbeschränkt hierzulande tätig werden. Außerdem soll geregelt werden, ab welcher Zeit Leiharbeiter in einem Betrieb den gleichen Lohn und die gleichen Arbeitsbedingungen erhalten wie die Stammbelegschaft. Das erste Angebot der Koalition (zwölf Monate) sorgte für Empörung bei der Opposition, weil nur ein Bruchteil der Beschäftigten davon profitiert hätte.

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