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Politik: Geschlechterkampf in Frankreich

Der laxe Umgang von Politik und Medien ihres Landes mit dem Fall Strauss-Kahn ruft die Französinnen auf den Plan

Berlin - Eine Woche nach der Verhaftung des inzwischen zurückgetretenen IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn in New York treten in Frankreich immer mehr Frauen auf den Plan und kritisieren den Umgang mit dem Skandal in der französischen Öffentlichkeit. Mehrere Frauengruppen verurteilten am Wochenende in einem Aufruf den laxen Ton französischer Politiker in der „affaire DSK“, wie die Affäre im Nachbarland genannt wird. In dem Appell prangerten die Autorinnen einen in ihrem Land herrschenden „ungehemmten Sexismus“ und die Berichterstattung der französischen Medien in dem Fall Dominique Strauss-Kahn („DSK“) an. Dem sozialistischen Politiker wird vorgeworfen, vor einer Woche in einem Hotel in New York versucht zu haben, ein Zimmermädchen zu vergewaltigen. In der öffentlichen Diskussion gebe es eine „Verwirrung“ darüber, wo die Grenze zwischen sexueller Freiheit und der Gewalt gegen Frauen verlaufe, hieß es in dem Aufruf.

Zu den Autorinnen des Appells gehören Christine Ockrent, die innerhalb des französischen Auslands-TV zu den Fernsehgewaltigen an der Seine gehört, und die im Nachbarland populäre Komikerin Florence Foresti. Ihnen geht es nicht um eine Vorverurteilung von „DSK“, sondern um die Verharmlosungen seiner (meist männlichen) Fürsprecher, die sich unmittelbar nach der Verhaftung in New York für den sozialistischen Parteifreund in die Bresche warfen. So hatte Ex-Kulturminister Jack Lang erklärt, dass man Strauss-Kahn schon längst hätte freilassen müssen, weil schließlich „niemand gestorben ist“. Und der mit Strauss-Kahn und seiner Ehefrau Anne Sinclair befreundete Publizist Jean-François Kahn hatte zweideutige Bemerkungen über weibliche Hausangestellte gemacht, aus denen sich entnehmen ließ, dass Zudringlichkeiten gegenüber Dienstmädchen aus seiner Sicht nichts Ungewöhnliches sind. Sowohl Jack Lang als auch Jean-François Kahn haben ihre umstrittenen Äußerungen inzwischen zurechtgerückt – aber der Sturm der Entrüstung unter Frankreichs Feministinnen hält an.

Unterdessen sind Frankreichs oppositionelle Sozialisten, die nach der Verhaftung Strauss-Kahns ihren wertvollsten Kandidaten im Rennen um das Präsidentschaftsamt verloren haben, immer noch konsterniert. Nachdem aber nicht nur den Feministinnen in Frankreich aufgefallen war, dass die Sozialisten in den ersten Tagen nach der Verhaftung in der Öffentlichkeit kaum auf das Schicksal des Zimmermädchens eingegangen waren, bemühen sich die Parteifreunde von „DSK“ inzwischen um eine differenziertere Betrachtungsweise das Falles. So sagte etwa der Strauss-Kahn-Vertraute Jean-Christophe Cambadélis der Zeitung „Le Parisien“, dass es genauso inakzeptabel sei, wenn das Zimmermädchen zum Opfer geworden sei, wie wenn der frühere IWF-Chef sich in der Opferrolle befinde. Allerdings führe die Debatte um den Kampf gegen sexuelle Gewalt, so berechtigt er sei, in die Irre, fügte Cambadélis hinzu. Er verstehe nicht, warum man deshalb die Unschuldsvermutung für Strauss-Kahn außer Acht lassen müsse, sagte der Sozialist.

Im Lager des politischen Gegners, bei der regierenden UMP von Präsident Nicolas Sarkozy, geht es angesichts der „affaire DSK“ nach einem Bericht des Enthüllungsblatts „Le Canard Enchaîné“ vor allem darum, den Eindruck der Schadenfreude zu vermeiden. Bei einem Besuch in Berlin beschränkte sich der Europaminister Laurent Wauquiez vergangene Woche denn auch darauf, auf das ungesunde Machtgefälle zwischen Regierenden und Regierten in Frankreich hinzuweisen. In Frankreich brauche man „mehr nördliche Einflüsse“, sagte Wauquiez und lobte die Bodenhaftung schwedischer Minister, die sich etwa nach Abendterminen nicht mit der Dienstlimousine kutschieren lassen, sondern ein Taxi bestellen. Frankreichs politische Klasse hingegen gilt als abgehoben – und mit der „Affäre DSK“ sind gleich auch Journalisten, die allzu oft von den Eskapaden wissen, aber nicht darüber berichten, mit in die Kritik geraten.

Unterdessen sagte Strauss-Kahns Anwalt Benjamin Brafman der israelischen Zeitung „Haaretz“, dass sein Mandant sicherlich bereit sei, seine Sache in einem langen Kampf auszufechten. „Er wird sich für nicht schuldig erklären, und am Ende wird er freigesprochen werden“, sagte Brafman. Für den Fall einer Verurteilung baute Frankreichs Regierung aber auch schon vor. Strauss-Kahn könne seine Strafe nach einer eventuellen Verurteilung möglicherweise auch in Frankreich verbüßen, sagte Innenminister Claude Guéant am Sonntag.

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