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Gesetzliche oder private Krankenversicherung?: Der Wettlauf der Konkurrenten

Gesetzliche und private Krankenversicherer streiten darüber, wer die größeren Mitgliederzuwächse hat. Aber ist das duale System eigentlich nicht längst überholt?

Warum wollen gesetzlich Versicherte zu einer Privatkasse wechseln?

Sie erhoffen sich niedrigere Beiträge und bessere Leistungen. Tatsächlich kommen vor allem junge Alleinverdiener mit hohem Einkommen bei privaten Krankenversicherern weit günstiger weg, da sie für die Versicherer als besseres Risiko gelten und sich ihre Beiträge nicht am Einkommen orientieren. Sie können ihren Gesundheitsschutz nach Bedarf abspecken und haben gleichzeitig die Garantie, dass ihnen keine einmal vereinbarte Leistung wieder abgezwackt wird. Ihnen bleiben Arzneizuzahlung und Praxisgebühr erspart, sie können Fachärzte ohne Überweisung konsultieren, erhalten weit schneller einen Arzttermin als Kassenpatienten und sitzen meist auch nicht so lange im Wartezimmer. Mitunter werden junge Gutverdiener gezielt durch Dumpingangebote geködert. Das böse Erwachen kommt dann mit Leistungsausschlüssen im Krankheitsfall und weit überdurchschnittlichen Beitragserhöhungen in den Folgejahren.

Warum wollen privat Versicherte in eine gesetzliche Kasse?

In erster Linie aus finanziellen Gründen. Alljährlich geraten die Privatversicherer im Dezember wegen teils exorbitanter Beitragserhöhungen in die Schlagzeilen. Diesmal war es besonders heftig: Versicherte berichteten von einer Steigerung um bis zu 60 Prozent. Wer sich jung versichert hat, habe damit zu rechnen, im Alter für seinen Gesundheitsschutz gut dreimal so viel bezahlen zu müssen, sagen Verbraucherschützer. Für Gutverdiener womöglich kein Problem, für Selbstständige und Rentner mit mittlerem Einkommen allemal. Um ihre Beiträge niedrig zu halten, lassen sich viele zu Leistungsausschlüssen und einer immer höheren Selbstbeteiligung überreden, die sie später und im Krankheitsfall oft überfordert. Die Rückkehr in bezahlbare bessere Tarife ist chronisch Kranken aus nachvollziehbaren Kalkulationsgründen verwehrt. Und der viel gepriesene Basistarif, in den Zahlungsschwache jederzeit wechseln dürfen, ist immer noch überteuert, weil er den Höchstsatz in der GKV zugrunde legt. Zudem macht man sich damit bei vielen zur Behandlung verpflichteten Ärzten höchst unbeliebt. Viele Privatversicherte haben in jungen Jahren auch unterschätzt, dass Familienangehörige bei einer Privatkasse nicht mitversichert sind, sondern zusätzlich abgesichert werden müssen. In der gesetzlichen Kasse des Ehepartners kommen die Kinder nur unter, wenn dieser mehr verdient – was eher selten ist. Und wenn der gesetzlich versicherte Partner im Job pausiert, muss er sich bei seiner Kasse freiwillig weiter versichern. Das ist meist teurer als vorher, denn zur Beitragsbemessung wird nun das Einkommen des allein verdienenden Partners herangezogen. Hinzu kommt die Erfahrung, dass die Privaten nicht immer mehr erstatten als gesetzliche Kassen. Bei Psychotherapien etwa sind AOK, Barmer & Co. im Regelfall viel großzügiger. Auch bei Kuren und Haushaltshilfen, für Kassenpatienten kein Problem, halten sich Privatversicherer gewöhnlich heraus.

Was steht einem Wechsel im Weg?

Gesetzliche Regelungen, mit denen Rosinenpickerei verhindert werden soll. Schließlich wäre es unfair, wenn sich Gutverdiener in jungen Jahren zum Spartarif versichern und im Alter, als chronisch Kranke oder mit großer Kinderschar wieder die finanziellen Vorteile der Solidargemeinschaft nutzen dürften. In eine Privatkasse kommt daher nur ein ausgewählter Personenkreis: Beamte, Selbstständige und Angestellte, die ein Jahr lang ein Gehalt über der Versicherungspflichtgrenze (derzeit 50 850 Euro) nachweisen können. Um zurückzudürfen, muss das Einkommen ebenso lang unter diese Grenze gesunken sein. Selbstständige müssen sich zudem zu Angestellten gewandelt haben. Wer einmal wegen geringer Einkünfte zurück durfte, aber nicht wollte, hat dieses Recht verwirkt. Und ab 55 ist eine Rückkehr in das GKV-System gar nicht mehr möglich.

Hat das duale System eine Zukunft?

Ein klares Nein. Und die gesetzlichen Kassen sitzen am längeren Hebel. Zwar preisen die Privaten ihre Branche gern als Zukunftsmodell, insbesondere wegen ihrer Altersrückstellungen von 158 Milliarden Euro. Intern aber haben einige längst Zweifel an ihrer Durchhaltefähigkeit als Vollversicherer – und sich daher bereits für die Beschränkung auf Zusatzpolicen starkgemacht. Ähnliche Visionen – Grundschutz für alle und die Möglichkeit privater Zusatzabsicherung – gibt es in der Union. SPD, Grüne und Linke wollen langfristig sowieso jeden in einer „Bürgerversicherung“ haben. Nur die FDP hält dem Doppelsystem noch rückhaltlos die Stange. Dabei nähern sich die Systeme längst einander an. Die Privaten haben keine Hemmungen mehr, sich an die Preisabsprachen der GKV mit Arzneiherstellern zu hängen. Und sie streben mit Macht nach dem, was die gesetzlichen Kassen seit jeher haben: Möglichkeiten, die Versorgungsmenge und -qualität zu beeinflussen. Bisher nämlich sind die Privaten nur Zahlmeister, sie müssen jede noch so unnötige Doppeluntersuchung oder Medikamentengabe erstatten – zu deutlich höherem Preis. Viele Ärzte nutzen dies aus. Von 2000 bis 2010 stiegen die Ausgaben der PKV doppelt so schnell wie in der GKV. Und ihre Rücklagen werfen in der zum Dauerzustand gewordenen Niedrigzinsphase weit weniger ab als erhofft. Allerdings ist die Abhängigkeit des gesetzlichen Systems von der Lohnentwicklung auch nicht zukunftsfähig. Nötig wäre in einem künftigen Einheitssystem die Berücksichtigung aller Einkommensarten bei den Beiträgen, mehr Steuerfinanzierung – und auch die Bildung von Altersrücklagen für geburtenstarke Jahrgänge.

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