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Politik: Gesucht: Neue Einigkeit

Nach dem Streit um den Krieg bemühen sich die EU-Außenminister um eine gemeinsame Position zum Aufbau

Von Mariele Schulze Berndt, Brüssel

Wenn die Außenminister der Europäischen Union am Montag erstmals nach dem Zusammenbruch des irakischen Regimes tagen, sind die Konfliktlinien dieselben wie vor und während des Krieges. Die Zahl der Probleme ist ebenfalls kaum kleiner geworden. Während Außenminister Fischer in einem Interview der in Zürich erscheinenden „NZZ am Sonntag“ davor warnte, in der Region „in weitere kriegerische Konfrontationen“ zu geraten, wird immer offensichtlicher, dass die Kriegsallianz aus USA und Großbritannien die Frage der Sicherheit im Irak als ihre Sache betrachten.

Die Genfer Konvention schreibe eben vor, dass die kriegsführenden Staaten USA und Großbritannien auch die Verantwortung für Sicherheit, Ordnung und Wiederaufbau nach dem Krieg trügen, hieß es in Brüssel. Allerdings werde Europa sich am Wiederaufbau des Iraks beteiligen müssen. Die USA haben nach Zeitungsberichten bereits mehr als 60 Staaten angeschrieben und sie um Unterstützung beim Wiederaufbau gebeten. Die Resonanz sei durchweg positiv, hieß es. Fischer sagte der NZZ, Deutschland wolle sich unter dem Dach der UN daran beteiligen. Dass die UN die führende Rolle beim Wiederaufbau spielen werden, halten Diplomaten für unwahrscheinlich. Die USA und Großbritannien bereiten eine Sicherheitsratsresolution vor, die ermöglicht, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank einzubinden. Doch es ist kaum damit zu rechnen, dass die EU-Mitgliedstaaten dort eine einheitliche Position vertreten werden. Dennoch legen der Hohe Beauftragte für die Außen- und Sicherheitspolitik Solana und EU-Kommissar Patten heute Konzepte vor, die dazu beitragen sollen eine gemeinsame Haltung der EU zu skizzieren und das Treffen der Staats- und Regierungschefs mit UN-Generalsekretär Kofi Annan auf dem Gipfel in Athen Mitte der Woche vorzubereiten.

Die Zukunft des Iraks ist nicht der einzige strittige Punkt unter den Außenministern. Auf der Tagesordnung steht auch die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Fischer betonte am Wochenende einmal mehr die Notwendigkeit, die eigenen Fähigkeiten der EU im militärischen, politischen und wirtschaftlichen Bereich zu stärken. Innerhalb der EU unterstützt Deutschland die Initiative des belgischen Ministerpräsidenten Verhofstadt, zusammen mit Frankreich und Luxemburg über ein gemeinsames europäisches Verteidigungsbündnis notfalls auch außerhalb der Europäischen Verträge zu beraten. Am 29. April soll dazu ein erstes Treffen auf höchster Ebene stattfinden.

Strittig ist gegenwärtig besonders die Frage, ob ein gemeinsames militärisches Hauptquartier für Europa zusätzlich zur Nato eingerichtet werden soll, wie es Belgien vorschlägt. In der Vergangenheit hatte Deutschland das als „Verdoppelung der bestehenden Strukturen“ abgelehnt. Inzwischen scheint es im Kanzleramt auf Beamtenebene mehr Bereitschaft zu geben, diesen Gedanken nicht völlig auszuschließen. Allerdings dürfe dies nicht die Beteiligung der Briten unmöglich machen, heißt es. Darüber will Bundeskanzler Schröder am Dienstagabend in Hannover mit dem britischen Premierminister Blair sprechen.

Bisher äußerten sich britische Regierungskreise äußerst ablehnend. Ein Sprecher des britischen Außenministers nannte das Treffen „deplatziert“. Es diene nur zur Provokation der USA, hieß es. Von den 15 EU-Mitgliedstaaten hätten die offene Einladung auch nur vier Staaten angenommen.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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