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Politik: Gesund bis zur Rente

Nur ein SPD-Politiker will gegen die Reform der Altersversorgung stimmen – doch Kranke gefährden die Mehrheit

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Die Spitzen von SPD- und Grünen-Fraktion geben sich zuversichtlich. Nachdem Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) das Rentenreformgesetz durch eine Kompromissformel ergänzt hat, sei bei der Bundestagsabstimmung am heutigen Donnerstag mit einer eigenen Mehrheit zu rechnen, sagen sie. Allerdings sieht der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, immer noch Unsicherheitsfaktoren. „Wir haben zwei, drei Kranke“, sagt er, die könnten möglicherweise auch am Donnerstag fehlen. Die Fraktionsführung wolle deshalb „hochsensibel die Dinge beobachten".

Schließlich gibt es auch noch die Kritiker. Bislang hat zwar nur ein SPD-Abgeordneter offen erklärt, er wolle auch im Bundestag gegen das Gesetz stimmen – nach Angaben aus der Fraktion handelt es sich um den bayerischen Abgeordneten Hans Büttner. Doch dass er der Einzige bleibt, ist nicht garantiert. Laut Schmidt hat man den potenziellen Abweichlern keine Frist gesetzt, um ihr Stimmverhalten anzukündigen. Das heißt: Weitere Nein-Sager könnten sich auch noch unmittelbar vor der Abstimmung melden.

In der SPD-Fraktion immerhin haben am Dienstag mindestens vier Mitglieder gegen die Reform gestimmt. „Fast alle“ Skeptiker hätten aber erklärt, dass sie am Donnerstag mit Ja stimmen wollten, beruhigt Schmidt: „Der Ernst und die Bedeutung dieser Entscheidung ist jedem bewusst.“ Sollte die Opposition vollständig zu der Sitzung erscheinen, könnte sich die rot-grüne Regierung tatsächlich nur vier Gegenstimmen aus den eigenen Reihen leisten, um – zehn Tage vor dem SPD-Parteitag – im Parlament keine Niederlage zu erleiden und damit ein Symbol von Handlungsunfähigkeit auszusenden.

Schmidt bestätigt, dass SPD-Fraktionschef Franz Müntefering „etwas angesäuert" gewesen sei, weil einige Kritiker ihre Vorbehalte erst der Presse und dann der Fraktion erläutert hätten. Dabei bedeute die von ihnen durchgesetzte Überprüfungspflicht, ob auch nach 2020 ein Rentenniveau von 46 Prozent realisierbar sei, mehr als nur „weiße Salbe“. Die neue Klausel schaffe für die Vermittlung der Reform eine „bessere Grundlage“.

Milde Töne kommen von den Grünen. Hier gebe es keinerlei Zweifel an einer Zustimmung, versichert deren parlamentarischer Geschäftsführer, Volker Beck. Der Gesetzentwurf beinhalte ein Mindestrentenniveau von 46 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens im Jahr 2020 und ein Mindestniveau von 43 Prozent zehn Jahre später. „Wir gehen davon aus“, sagt Beck, „dass diese Benchmarks im Gesetz stehen bleiben.“

Zu dem Kompromiss, wonach die Regierung ab 2008 regelmäßig die Rentenniveau-Aussichten abschätzen und Gegenmaßnahmen ergreifen muss, wenn sich abzeichnet, dass man unter 46 Prozent rutscht, sagt die Grünen-Expertin Biggi Bender, „damit vergibt man sich nichts“. Da im Gesetz das Ziel der Beitragsstabilität verankert sei, gehe sie aber davon aus, „dass wir das gesetzliche Renteneintrittsalter werden erhöhen müssen“. Bis 2020 soll ein Rentenbeitrag von höchstens 20 Prozent und bis 2030 von höchstens 22 Prozent festgeschrieben werden.

CDU-Präsidiumsmitglied Hildegard Müller nennt die Zusatzklausel „Augenwischerei, weil die Regierung im Falle eines Absinkens des Rentenniveaus „handeln kann, aber nicht muss“. Und auch der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen spricht von einem „Scheingefecht“ – allerdings aus anderen Gründen. Das Hauptproblem werde gar nicht diskutiert, sagte er dem Tagesspiegel. Um die Beiträge wirklich – wie von Rot-Grün gewünscht – bei 22 Prozent zu deckeln, könne man sich nicht auf die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors beschränken. „Das ist nur ein Zwei-Drittel-Schritt“, meint Raffelhüschen. „Was fehlt, ist die Rente mit 67“. Mit diesem von der Rürup-Kommission empfohlenen Zusatz sinke das Bruttorentenniveau zwar auf knapp über 40 Prozent, „aber mehr können wir uns einfach nicht leisten.“

Ohne Erhöhung des Renteneintrittsalters könne man im Jahr 2030 zwar tatsächlich, wie von Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) prognostiziert, „bei 43 Prozent landen“, so Kommissions-Mitglied Raffelhüschen. Dies gehe dann aber auf Kosten der kommenden Generation. Die Vorstellung der SPD-Linken hingegen, auch für 2030 ein Niveau von 46 Prozent halten zu können, bezeichnet der Freiburger Wissenschaftler als „Absurdität“. „Das wäre genauso, als schrieben wir ins Gesetz: Eins plus eins ist drei“, sagt er. Und prophezeit: „Die Mathematik wird sich nicht nach unseren Gesetzen richten.“

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