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Gesundheitsminister Daniel Bahr musste gleich zwei Niederlagen verkraften.

© dpa

Gesundheitsminister Bahr: Nicht honoriert

Eine Niederlage kommt selten allein: Gesundheitsminister Daniel Bahr muss nicht nur in der FDP zurückstecken, sondern auch im Kabinett. Im Streit mit dem Finanzminister musste er am Ende klein beigeben.

Eine Niederlage kommt selten allein. Und womöglich hat die eine mit der anderen zu tun. Am Wochenende hat die FDP ihrem Gesundheitsminister den Aufstieg in die Parteispitze verweigert. Zwei Tage später muss Daniel Bahr im Streit mit dem Finanzminister klein beigeben. Wolfgang Schäuble (CDU) verdonnert Bahrs Ressort dazu, weitere 1,5 Milliarden Euro zum Bundesetat beizusteuern. Der Zuschuss für den Gesundheitsfonds wird um 3,5 Milliarden gekürzt. Die dicken Polster der Rentenversicherer dagegen, die zum Ressort von CDU-Ministerin Ursula von der Leyen gehören, bleiben fast unangetastet.

Der März hat es in sich für den 36-Jährigen, der bislang zu den Hoffnungsträgern seiner Partei gezählt wurde. Und der auch das Selbstbewusstsein hat, sich selbst dafür zu halten. Bahrs Kandidatur fürs FDP-Präsidium schien reine Formsache zu sein. Sein Rivale für den Vizeposten, Entwicklungsminister Dirk Niebel, hatte nach dem Geschmack vieler im Vorfeld allzu heftig gegen den schwächelnden Parteichef Phillip Rösler getreten. Der beim Rösler-Mobbing unauffällig gebliebene Bahr dagegen listete den Delegierten brav seine Verdienste auf. Er habe „als Gesundheitsminister gegen den Landärztemangel, für Demenzkranke und mit dem Wegfall der Praxisgebühr Erfolge erzielt“. Natürlich ging Bahr davon aus, dass ihm auch sein Verzicht auf den Vorsitz des mitgliederstärksten Landesverbands Nordrhein-Westfalen zugunsten von FDP-Liebling Christian Lindner honoriert würde. Doch der Parteitag ließ den Münsteraner krachend durchfallen. Im zweiten Wahlgang erhielt er nur peinliche 33 Prozent und scheiterte klar an Kandidat Nummer drei: dem Dauerquerulanten Wolfgang Kubicki. Nach einer fulminanten Rede kam der Schleswig-Holsteiner auf fast doppelt so viele Stimmen wie Bahr.

Zählt der Rambo-Gestus für die Partei mehr als solide inhaltliche Arbeit? Er nehme die Niederlage sportlich, versicherte Bahr. Die FDP sei „eben eine lebendige Partei“. Und Präsidium hin oder her: Als Bundesminister gehöre er ja dennoch der Führung an. Seinen Frust ließ Bahr nur darin erkennen, dass er dem Sieger unterstellte, vor allem wegen seiner Unterhaltsamkeit gewonnen zu haben. Und indem er ihm und dessen Wählern mitgab, „dass es der FDP nicht hilft, wenn er ständig schlecht über andere redet“.

Tatsächlich wäre dem Gesundheitsminister der Posten in der Parteispitze überaus wichtig gewesen. Bahr habe gemerkt, dass ihn der Verlust der NRW-Bastion „nicht durchsetzungsfähiger gemacht“ habe, heißt es aus seinem Umfeld. In der Partei wie im Kabinett. Dabei hatte er im Mai 2012 bewusst verzichtet. Für die Partei ein genialer Schachzug: Lindner blieb trotz des Zerwürfnisses mit Rösler bei der Stange – und die FDP schaffte bei der Landtagswahl mit 8,6 Prozent ein Ergebnis, das dem spröden Bahr niemals gelungen wäre. Wie die Sache auch hätte ausgehen können, zeigte der einstige CDU-Hoffnungsträger Norbert Röttgen. Weil der beides wollte, Bundesministerium und Spitzenkandidatur, versemmelte er nicht nur die Landtagswahl, sondern auch seine eigene Karriere im Bund.

Bahr dagegen stärkte mit dem Rückzieher seinen Ruf als gewiefter Stratege und Strippenzieher. Doch in der Folge entglitt ihm die Geschichte. Gerüchten zufolge gab es damals nämlich auch die Absprache, dass Bahr zur Entschädigung in die Spitze der Bundespartei aufrücken darf. Nun sitzt der eine aus der früheren Boygroup auf beiden Parteiposten, der andere hat gar keinen. Als mächtigster Landesfürst trägt Lindner für letzteres so viel Verantwortung wie Rösler. Mit ein wenig Vorarbeit hätten beide die Kandidaten-Kollision verhindern und Bahr zu einem sicheren Präsidiumsplatz verhelfen können. So stehen im Jahr der Bundestagswahl nun gleich zwei FDP-Bundesminister wie begossene Pudel da. Für Bahr ist das besonders ärgerlich, denn er war loyal und hat aus Parteisicht als Ressortchef aus Parteisicht bisher keine schlechte Figur gemacht. Mit Ausnahme der Prävention sei alles Angekündigte realisiert, resümieren sie im Ministerium. Landärztegesetz, Pflegereform, Patientenschutz, Transplantationsgesetz... Und als Sahnehäubchen obendrauf: die Abschaffung der unbeliebten Praxisgebühr.

Vor allem hat der Gesundheitsminister eines geschafft: das konfliktträchtige Ressort aus den Schlagzeilen zu halten und für die Partei nicht zum Negativposten werden zu lassen. Das ist eine gar nicht zu unterschätzende Leistung. Doch in der aufgewühlten FDP wird stille Arbeit derzeit nicht honoriert. Bahr wolle „von allen geliebt werden“, halten sie ihm dort vor. Seine Devise laute: "Bloß nicht anecken.“. Und seinen Strategien ordne er alles unter. Kubicki dagegen verkörpere liberales Lebensgefühl pur und lasse sich „dafür notfalls auch prügeln“. Wenn der Münsteraner für die nächste Legislatur, wie gemunkelt wird, tatsächlich den Fraktionsvorsitz anstrebt, muss er sich wohl weit stärker um die Parteiseele bemühen.

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