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Gesundheitspolitik: Koalition will Röslers Reform nachbessern

Nach der Reform ist vor der Reform – auch für die Regierungskoalition. Die nämlich hat in ihrem Gesetzesvorhaben, kurz bevor sie es vom Bundestag absegnen lässt, selber „eine Ungerechtigkeit“ entdeckt.

Berlin - Die Ungerechtigkeit müsse, so fordern ihre Experten Jens Spahn (CDU), Max Straubinger (CSU) und Ulrike Flach (FDP) unisono, „spätestens bei der nächsten Finanzreform“ beseitigt werden.

Das Problem betrifft den sogenannten Sozialausgleich. Mit diesem will die Koalition eine Überforderung der gesetzlich Versicherten durch die pauschalen Zusatzbeiträge der Krankenkassen vermeiden, die dank der schwarz-gelben Reform künftig nach oben unbegrenzt sind und zum Regelfall werden dürften. Übersteigen sie im Durchschnitt zwei Prozent des Bruttoeinkommens, soll es für die Betroffenen einen Ausgleich aus Steuern geben.

Zur Berechnung des Ausgleichsanspruches werden bei Pflichtversicherten aber nur Lohn, Gehalt und Rente herangezogen. Zusatzeinkünfte spielen keine Rolle. „So kann es passieren“, bestätigen die Urheber des Gesetzentwurfes, „dass jemand mit einem kleinen Erwerbseinkommen oder einer kleinen Rente einen Steuerzuschuss zum Zusatzbeitrag erhält, obwohl der Versicherte etwa über erhebliche Zins- und Mieteinnahmen verfügt“. Es müsse gerecht zugehen, fordert Spahn. „Wer nur 400 Euro Rente oder Lohn hat, aber Mieteinkünfte von 5000 Euro, der braucht keinen Sozialausgleich in der Krankenversicherung.“

Stellt sich die Frage, warum die Experten die offensichtliche Gerechtigkeitslücke nicht gleich beseitigt haben. Ein Grund mag die Befürchtung gewesen sein, dafür die Finanzämter und in der Folge auch das Plazet des Bundesrats zu benötigen. Vor allem aber dürfte der Bürokratieaufwand abschreckend gewirkt haben. Schließlich hatte Minister Philipp Rösler (FDP) versprochen, den Ausgleich bürokratiearm über Arbeitgeber und Rentenversicherer abwickeln zu lassen. Allerdings verweisen die Experten darauf, dass es schon jetzt pro Jahr bis zu sieben Millionen Anträge auf Zuzahlungsbefreiung gibt, bei denen die Kassen das Gesamteinkommen der Antragsteller berücksichtigen – „ohne dass bis heute jemand diesen Aufwand als übermäßig bezeichnet hätte“. Und der „enorme Gerechtigkeitsgewinn“ mache den Zusatzaufwand für die Kassen „bei weitem wett“.

Die Koalitionsspitzen hätten befürchtet, das Reformprojekt mit zusätzlichen Einkommensprüfungen zu überfrachten, rechtfertigt Spahn das Versäumnis. Man werde sich aber „noch in dieser Legislatur“ damit befassen. Im Übrigen habe man keineswegs das eigene Gesetz kritisiert. „Wir haben nur darauf verwiesen, was noch kommen muss und dass wir uns des Gerechtigkeitsproblems bewusst sind.“

Der SPD-Experte Karl Lauterbach sieht das anders und spricht von einer „Unverschämtheit“. Es sei „unparlamentarisch und eine Verhöhnung des Wählers“, wenn die Regierungsfraktionen ein Gesetz beschlössen, dessen Ungerechtigkeit sie zuvor selber schon erkannt und angeprangert hätten. Für diese Perversion gebe es nur noch eine Lösung: „Der Pfusch muss gestoppt werden.“ Rainer Woratschka

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