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Gesundheitspolitik: Regierung will Krankenkassen stärker kontrollieren

Die Regierung will dem Versuch von Krankenkassen, ärztliche Diagnosen in ihrem Sinne zu beeinflussen, mit schärferen Kontrollen begegnen. So soll das Bundesversicherungsamt künftig auch Versicherern auf die Finger sehen dürfen, die unter Landesaufsicht stehen, wie etwa die Allgemeinen Ortskrankenkassen.

Berlin - Bei einem auffälligen Anstieg bestimmter Krankheiten könne man dann Sanktionen ergreifen, hieß es – bis hin zur staatsanwaltschaftlichen Ermittlung wegen Betruges. Allerdings werde man nicht so weit gehen, die Richtigkeit der Diagnosen in Arztpraxen nachzuprüfen, versicherte der CDU-Experte Jens Spahn dem Tagesspiegel. Das Gesetz soll den Bundestag noch vor der Sommerpause passieren.

Mediziner klagen seit langem, von Kassenberatern unter Druck gesetzt und zu lukrativeren Diagnosen gedrängt zu werden. Je mehr Kranke eine Kasse vorzuweisen hat, desto mehr Geld erhält sie aus dem Gesundheitsfonds. Und bestimmte Diagnosen „lohnen“ sich besonders. Für Patienten mit Depression fließen deutlich höhere Zuweisungen als für solche mit depressiver Verstimmung. Den Betroffenen können aus solchen Übertreibungen aber Nachteile erwachsen – etwa beim Wechsel zu privaten Versicherern.

Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind rund 100 Fälle versuchter Einflussnahme bekannt. Der AOK- Bundesverband räumt solche Kontaktaufnahmen ein, bestreitet aber, Diagnosen beeinflussen zu wollen. Es gehe einzig um die richtige Codierung der festgestellten Krankheiten. Die AOK Niedersachsen hat für solche Nachhilfe sogar Geld lockergemacht: Mediziner, die sich die Krankheitsangaben erneut vornahmen, erhielten pro AOK-Patient zehn Euro. Wenn Ärzte bei ihren Diagnosen mit den Kassen paktierten, sei das „berufsrechtlich hochproblematisch“, warnt KBV-Chef Köhler. Und selbst die Kassen profitierten nicht wirklich davon. Auf Dauer zerstörten sie sich damit das sinnvolle Instrument des Risikoausgleichs. Rainer Woratschka

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