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Politik: Gesundheitsreform auf der Kippe

Koalition verschiebt erneut Abstimmung / CSU beharrt auf Veränderungen, die die SPD nicht mittragen will

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Angesichts massiver Kritik aus den eigenen Reihen will die Union die Abstimmung des Bundestages über die Gesundheitsreform um weitere zwei Wochen verschieben. Dies sei erforderlich, damit seine Fraktion „genügend Zeit zur Beratung“ habe, kündigte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) am Dienstag in einem Schreiben an die Abgeordneten an. Kauder betonte darin, eine Verschiebung der Abstimmung auf Ende Januar/Anfang Februar verhindere das Inkrafttreten am 1. April nicht. Ein Sprecher der SPD-Fraktion zeigte sich angesichts der Änderungspläne des Koalitionspartners überrascht. Die SPD-Fraktion werde das weitere Vorgehen, wie geplant, am 15. Januar festlegen, sagte der Sprecher.

Nach mehrmaligen Verschiebungen der Reform im vergangenen Jahr wollten Union und SPD das Gesetzpaket in der ersten Beratungswoche 2007 am 19. Januar verabschieden, um dem Bundesrat ausreichend Zeit zur Beratung und Zustimmung bis Ende März zu geben. Nachdem auf beiden Seiten zwischenzeitlich zahlreiche Änderungswünsche laut geworden sind, hatten sich die Spitzen der Koalitionsfraktionen allerdings intern die Option offen gehalten, die Abstimmung im beiderseitigen Einvernehmen zu verschieben. Eine Entscheidung darüber war ursprünglich für Mitte Januar vorgesehen. Kauder ist nun vorgeprescht – allerdings, ohne Abstimmung mit dem Regierungspartner.

Nach wie vor gibt es Bedenken gegen die Reform vor allem bei den süddeutschen Bundesländern und innerhalb der CSU. Sie zielen insbesondere auf mögliche Zusatzbelastungen der Südländer und die Reformpläne bei den privaten Krankenversicherungen ab. Ihnen soll die Pflicht auferlegt werden, Menschen ohne Versicherung in einem Basistarif zu versichern, wenn sie zuletzt in einer privaten Kasse versichert waren.

Innerhalb der SPD wurden am Dienstag grundsätzliche Zweifel am Inkrafttreten des Reformwerkes laut. „Der 1. April ist kein Muss-Termin“, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach dem Tagesspiegel. Lauterbach begründete das mit der Kritik der CSU an den Plänen für die privaten Krankenversicherungen. Er stellte klar, dass die Übernahmepflicht der ehemaligen Privatversicherten für die SPD „nicht mehr verhandelbar ist“. Jedes System müsse die Menschen übernehmen, die es zuletzt versichert habe. Betroffen davon sind rund 300 000 Menschen, davon 50 000 bis 100 000 ehemalige Privatversicherte. Skeptisch zeigte sich Lauterbach erneut, ob der Gesundheitsfonds wie geplant 2009 in Kraft treten könne. „Die Probleme bei der Vorbereitung sind so groß, dass das nicht zu schaffen sein wird“, sagte er.

Die Opposition bekräftigte ihre Forderungen, das gesamte Reformwerk einzustampfen. Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer nannte die Verschiebung eine „blamable Entscheidung“ und den „zweiten Fehlstart ins neue Jahr“. Statt zu sanieren, zu reformieren und zu investieren, stehe das Handeln der Regierung unter dem Dreiklang „Blamieren, Intrigieren, Kopfverlieren“, sagte Bütikofer und forderte: „Setzt die Gesundheitsreform ab, Kollegen, das wird nichts mehr.“

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