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Gesundheitssystem: Diagnose: Teuer und korrupt

Schlechte Diagnose für das deutsche Gesundheitswesen: Transparency rügt die deutsche Gesundheitspolitik.

Extrem teuer, mäßig in der Qualität und dabei „äußerst intransparent, kleinteilig interessengeleitet und korruptionsanfällig“. So urteilte am Dienstag Transparency Deutschland in einem 60-seitigen Grundsatzpapier „Transparenzmängel, Korruption und Betrug im deutschen Gesundheitswesen“. „Durch unwirtschaftliche, verschwenderische und unsaubere Praktiken gehen jedes Jahr Unsummen an Versichertengeldern verloren“, beklagte Anke Martiny, Vorstandsmitglied der Anti-Korruptions-Organisation. Nach ihren Angaben werden in Europa zwischen drei und zehn Prozent des Gesundheitsbudgets vergeudet – im Falle der Bundesrepublik sind das Milliarden.

Nach den USA und der Schweiz hat Deutschland das teuerste Gesundheitssystem der Welt, bietet seinen Bürgern laut Transparency aber nur „mittelmäßige Leistungen“. Die Experten kritisieren vor allem die unklare Vergabepraxis bei den Rabattverträgen der gesetzlichen Krankenkassen, den unzureichend geregelten Vertrieb von Arzneimitteln, die mangelnde Transparenz bei der Abrechnung ärztlicher Leistungen und die laxen Praxiskontrollen der ärztlichen Selbstverwaltung.

Nach Einschätzung von Transparency sind zum Beispiel Rabattverträge zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und Herstellerfirmen, die das sogenannte GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz erlaubt, „höchst problematisch“. Den Pharmafirmen werde auf diese Weise ermöglicht, „Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenkassen quasi zu Marketing-Agenten für fragwürdige und bedenkliche Pharmaprodukte zu machen.“ Die Ärzte wiederum würden über solche Rabattverträge gezwungen, anstelle preiswerter Nachahmerpräparate von den Arzneikonzernen den Kassen gegenüber rabattierte, aber trotzdem immer noch überteuerte Markenprodukte zu verordnen.

„Fahrlässig, unsauber und korrupt“ ist nach dem Urteil von Transparency auch der Umgang der ärztlichen Selbstverwaltung mit gesetzlichen Vorschriften für mehr Transparenz. Beispiel Praxissoftware, die den Ärzten bislang von den Pharmaunternehmen zur Verfügung gestellt wird – gefüttert mit Werbung für die eigenen Produkte. Vor zwei Jahren verpflichtete der Bundestag die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), dafür Sorge zu tragen, dass nur noch „neutrale“ Software, also ohne Pharmawerbung, in den Praxen verwendet wird. Die KBV jedoch vereinbarte mit den Software-Herstellern lediglich eine freiwillige Selbstverpflichtung – aus Sicht von Transparency „mehr als unbefriedigend, nämlich völlig unwirksam“. Die Bundesregierung nahm den Gesetzesverstoß hin und intervenierte nicht. Die Zeche zahlen nun die Versicherten. Denn sie „tragen die Kosten für nach wie vor durch mangelhafte Software überhöhte Verordnungskosten“. 

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