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Gesundheitswesen: Finanzreform: Kliniken sollen sich gesundstoßen können

Nach monatelangem Streit haben sich Bund und Länder in letzter Minute über eine Finanzreform für die rund 2100 Krankenhäuser in Deutschland verständigt. Die Kliniken sollen ab 2009 rund drei Milliarden Euro mehr von den gesetzlichen Krankenkassen bekommen.

Die Länder willigten mit einem Bundesrats-Beschluss vom Freitag im Gegenzug ein, eine neue Grundlage für ihre Investitionen für Klinik-Gebäude und -Infrastruktur zu entwickeln. Hierfür sind die Länder zuständig, für den laufenden Betrieb die Kassen. Eine Verpflichtung zu regelmäßigen pauschalen Zahlungen der Länder für die teils notleidenden Kliniken soll es nach heftigem Länder-Widerstand aber nicht geben.

Monatelang hatten Bund und Länder um die Reform gerungen, während Kliniken, Ärzte, Pfleger, Kommunen und Gewerkschaften immer vehementer vor einem finanziellen Kollaps der Kliniken warnten. Der Kompromiss sieht vor, dass ab 2012 eine Investitionsförderung durch Pauschalen bundesweit möglich werden soll. Zuletzt bestand hier nach Expertenschätzung eine Finanzierungslücke bei den Investitionen von rund 2,3 Milliarden Euro im Jahr.

Genaue Verteilung muss noch ausgehandelt werden

Wie solche Zahlungen berechnet werden, soll in Abstimmungen mit den Ländern bis Ende 2009 festgelegt werden. Auch weiter sollen Länder aber Klinik-Investitionen einzeln von Fall zu Fall fördern können. Dies sieht ein Beschluss des Bundesrats vor, über dessen Inhalt die Länder bis zur letzten Minute verhandelten. Bei der Finanzreform herrscht Zeitdruck. Die Mehrausgaben der Kassen soll in die Festlegung des einheitlichen Beitragssatzes für die Krankenversicherung zum Start des Gesundheitsfonds eingehen. Zuständige Schätzer wollen hierzu Anfang Oktober einen Vorschlag machen.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) kündigte die Einbringung der Reform ins Kabinett für kommende Woche an. "Damit nimmt die Gesundheitsreform eine weitere wichtige Hürde", sagte sie der "Aachener Zeitung". Die Länder müssen der Reform zustimmen. Deshalb wurde in der Bundesregierung ein klares Signal zur Zustimmung im Vorfeld als nötig für ein reibungsloses Gesetzgebungsverfahren angesehen. 2010 sollen die Preise für die Klinik-Leistungen zudem bundesweit angeglichen werden. Bereits 2009 fällt ein Sparbeitrag der Kliniken von einem halben Prozent ihrer Rechnungen zugunsten der Kassen weg.

Patienten tragen die Hälfte

Schmidt betonte, die Hälfte der Kosten für die jüngsten Tarifsteigerungen sollten von den Beitragszahlern finanziert werden. "50 Prozent sind fair." Die Kassen werden so mit rund 1,3 Milliarden Euro belastet. Sicher sei jetzt auch, dass das Programm zur Einstellung von 21.000 neuen Pflegekräften binnen dreier Jahren starten könne. Hier sollen die Kassen sich zu 70 Prozent beteiligen, was rund 700 Millionen Euro entspricht. SPD-Expertin Carola Reimann äußerte sich zufrieden über die absehbaren Verbesserungen bei der Pflege. Experten rechnen mit Zusatzlasten beim Kassenbeitrag von 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten.

Die baden-württembergische Sozialministerin Monika Stolz (CDU) sagte: "Es ist höchste Zeit, dass wir den Krankenhäusern helfen." Ihre bayerische Amtskollegin Christa Stewens (CSU) sprach von "schwierigen Verhandlungen", zeigte sich aber zufrieden, dass der Weg für Entlastungen der Kliniken frei sei. Für ihre Amtskollegin aus Schleswig-Holstein, Gitta Trauernicht (SPD), handelt es sich um einen "Durchbruch".

Krankenhäuser wollen mehr

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hält die Einigung im Streit über die künftige Krankenhausfinanzierung für "nicht ausreichend". Die zugesagten drei Milliarden Euro für das kommende Jahr seien "keine echte Hilfe", sagte Verbandshauptgeschäftsführer Georg Baum am Freitag in Berlin. Das Hilfsprogramm decke nur einen Teil der "riesigen Finanzierungslücke" von rund 6,7 Milliarden Euro. Allein die Steigerung der Tariflöhne belaste die Kliniken mit etwa drei Milliarden Euro. Auf dem überwiegenden Teil dieser Mehrkosten blieben die Krankenhäuser sitzen. Hinzu kämen Belastungen durch gestiegene Energie- und Sachkosten.

Niedergelassene Ärzte kritisieren Versorgungszentren

Mehrere hundert niedergelassene Ärzte und Praxismitarbeiter aus dem gesamten Bundesgebiet protestierten am Freitag in Berlin gegen die Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Die flächendeckende Haus- und fachärztliche Versorgung werde "zerstört", kritisierte der Präsident der "Freien Ärzteschaft (FÄ)", Martin Grauduszus, bei einer Kundgebung. Insbesondere den häufig von privaten Klinikbetreibern geführten medizinischen Versorgungszentren warf Grauduszus eine "industrialisierte Gesundheitsabfertigung" vor.

Vertreter der Ärztevereinigung kritisierten, die medizinischen Versorgungszentren verdrängten die freien Arztpraxen in einem "unfairen Wettbewerb". Es gebe nach wie vor eine "Unterfinanzierung" der niedergelassenen Haus- und Fachärzte. Die Behandlung in Versorgungszentren gehe vor allem zu Lasten älterer und gebrechlicher Patienten. Die Bundesregierung müsse sich klar für eine wohnortnahe und "bürokratiebereinigte" Versorgung durch Haus- und Fachärzte einsetzen, forderte Grauduszus. (mhz/dpa/ddp)

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