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Feuerwehreinsatz nach den Brandanschlag auf die noch unbewohnte Asylbewerberunterkunft in Meißen

© Roland Halkasch/dpa

Gewalt gegen Flüchtlinge: Haftstrafen nach Brandanschlag in Meißen

Die Zahl der Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte steigt drastisch an. Nach einem Brandanschlag in Meißen wurden nun mehrjährige Haftstrafen verhängt.

Von Matthias Meisner

Es war im vergangenen Jahr nur eines von insgesamt 1031 "lagerrelevanten Delikten zum Themenfeld ,Straftaten gegen Asylunterkünfte'", wie es im Behördendeutsch heißt. Doch der Brandanschlag auf die noch unbewohnte Flüchtlingsunterkunft in Meißen Ende Juni war besonders spektakulär, weil die Täter das Leben von Anwohnern in den benachbarten Häusern gefährdeten. Und sich in der Kleinstadt bei Dresden, unter anderem durch die Aktivitäten der Anti-Asyl-"Initiative Heimatschutz" eine fremdenfeindliche Stimmung ausbreiten konnte.

Am Donnerstag wurden die beiden Täter, 38 und 41 Jahre alt, vom Landgericht Dresden zu drei Jahren und acht Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Als Tatmotiv benannte die Vorsitzende Richterin Michaela Kessler klar Fremdenfeindlichkeit. Die Männer, die bereits seit Dezember in Untersuchungshaft sitzen, bleiben wegen vorsätzlicher Brandstiftung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch im Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen des Vorwurfs der schweren Brandstiftung höhere Haftstrafen gefordert und prüft nun eine Revision.

Das Bundesinnenministerium veröffentlichte am Donnerstag auf Tagesspiegel-Anfrage aktuelle Fallzahlen zu den Delikten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Sie zeigen: Das Problem verschärft sich weiter. Demnach wurden in diesem Jahr bis Anfang dieser Woche 368 Straftaten in diesem Bereich registriert. Darunter waren 40 Brandstiftungen, vier Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz, eine Sprengstoffexplosion. Die Behörden zählten 137 Sachbeschädigungen, 87 Propagandadelikte sowie 73 Gewaltdelikte. Eingerechnet sind auch Angriffe gegen ehrenamtliche Helfer und politisch Verantwortliche, Nachmeldungen noch möglich.

Die Täter handelten wie in den Vorjahren zum weit überwiegenden Teil aus rechten Motiven. Rechte Täter waren demnach in diesem Jahr bisher für mindestens 340 Übergriffe verantwortlich. Bei 28 Straftaten "kann eine politische Motivation noch nicht sicher ausgeschlossen werden", teilt das Innenministerium mit.

Schon im vergangenen Jahr hatte die Kriminalität gegen Asylunterkünfte einen traurigen Höhepunkt erreicht - zu den damals insgesamt 1031 Delikten zählten 177 Gewalttaten, davon 94 Brandstiftungen, acht Sprengstoffexplosionen sowie acht Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz.

2014 gab es "nur" 199 Straftaten gegen Asylunterkünfte, davon 28 Gewalttaten und sechs Brandstiftungen. Im gesamten Jahr 2013 wurden 69 Straftaten gegen Asylunterkünfte gemeldet, davon elf Gewalttaten. Rechtsmotivierte Täter waren für 923 dieser Angriffe verantwortlich, in den anderen Fällen wird das noch geprüft.

Rechte Szene will "Klima der Angst"

Die Tagesschau zitierte auf ihrer Internetseite aus einem internen, als Verschlusssache eingestuften Lagebericht des Bundeskriminalamts (BKA), das davor warnt, dass es auch zu tödlicher Gewalt kommen könne. Vor dem Hintergrund der engen ideologischen Verflechtung der "Asylmissbrauchsdebatte" mit dem klassisch rechtsextremen Agitationsfeld der "Fremdenfeindlichkeit" sei davon auszugehen, dass Flüchtlinge "verstärkt in den Zielfokus etwaiger Gewaltstraftaten rücken". In dem Bericht heißt es: "Neben Körperverletzungen muss vereinzelt auch mit Tötungsdelikten gerechnet werden."

Auch ehrenamtliche Helfer, Politiker und Journalisten würden vermehrt Ziele von rechter Gewalt. Obwohl das BKA keine deutschlandweit organisierte Struktur erkennen kann, meinen die Ermittler, dass die Bildung terroristischer oder krimineller Gruppen im rechten Spektrum in Betracht gezogen werden müsse. Die Razzia der Bundesanwaltschaft gegen die mutmaßlich rechtsterroristische "Gruppe Freital" gab hier offenbar nur einen Vorgeschmack.

Ein Indiz dafür sei neben stark gestiegenen Fallzahlen rechter Gewaltkriminalität im vergangenen Jahr eine hohe Straftatendichte in einzelnen Regionen - hier stechen vor allem Nordrhein-Westfalen und Sachsen heraus. Das BKA verweist zudem auf die Anzahl "eingestufter Gefährder und relevanter Personen, die Verfügbarkeit von Waffen und Sprengstoff und die weiter zunehmende verbalradikale Rhetorik".

Ein Ende der Agitation der rechten Szene sei trotz derzeit rückläufiger Asylbewerberzahlen nicht abzusehen, heißt es weiter. Im Gegenteil: Hassgeprägte, personenbezogene Gewaltstraftaten würden ein von der rechten Szene gewolltes "Klima der Angst" befördern. Zuvor hatte bereits Bundesinnenminister Thomas de Maizière davon gesprochen, dass Straftaten gegen Asylunterkünfte geeignet seien, in den betroffenen Kommunen ein Klima der Angst zu schaffen.

Anders als in den 1990er-Jahren sieht das BKA weiterhin keinen direkten Zusammenhang zwischen Demonstrationen und schweren gewaltsamen Übergriffen, wie zum Beispiel früher in Rostock-Lichtenhagen oder im sächsischen Hoyerswerda. Dennoch sei es zuletzt bei von Pegida oder Hogesa organisierten Veranstaltungen vermehrt zu verbalen Attacken gegen Flüchtlinge und Politiker gekommen. Das BKA stellt in seinem Bericht eine "xenophobe", also fremdenfeindliche "Grundstimmung" fest, die gezielt an "bürgerliche Kreise" herangetragen werden solle.

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