zum Hauptinhalt

Gewaltrausch: Ägyptens Militär verprügelt Demonstrantinnen

Ägyptens Militär verprügelt und misshandelt seit Wochen Demonstranten. Inzwischen gehen die Soldaten auch brutal auf Frauen los. US-Außenministerin Clinton spricht von einer Schande für das Land.

So empört war Hillary Clinton lange nicht mehr. Die Vorgänge in Kairo seien „eine Schande“, schimpfte sie und geißelte die „schockierende Gewalt“ ägyptischer Soldaten gegen protestierende Frauen auf dem Tahrir-Platz. „Diese systematische Erniedrigung von Frauen entehrt die Revolution, blamiert den Staat und seine Uniformierten und ist eines so großes Volks unwürdig“, erklärte die US-Außenministerin in einer Rede vor Studenten in Washington – die bisher schärfste Kritik eines amerikanischen Regierungsmitglieds an den neuen Machthabern am Nil.

Vor allem das Video einer verschleierten jungen Frau, die von einer Horde Soldaten über den Platz gezerrt wird, hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Soldaten dreschen mit Knüppeln auf die am Boden Liegende ein. Einer tritt ihr mit seinem Stiefel ins Gesicht, ein zweiter in den Magen, am Ende bleibt das Opfer halbnackt und leblos auf dem Asphalt liegen. Auf weiteren Clips bedroht ein Soldat eine weinende ältere Frau mit einem Schlagstock, seine Kameraden pinkeln von Regierungsgebäuden herunter auf Demonstranten und verhöhnen sie mit obszönen Gesten. Andere Frauen berichten, sie seien nach ihrer Festnahme getreten, geohrfeigt und mit Elektroschockern misshandelt worden.

Genauso wie die Untaten der Soldaten werfen auch die anschließenden Rechtfertigungen aus den Reihen des Obersten Militärrates (SCAF) ein düsteres Licht auf die Mentalität in der ägyptischen Armee. „Was sind Ihre Gefühle, wenn Sie Ägypten und seine Geschichte in Flammen aufgehen sehen?“, zitierte die Zeitung „Al-Shorouk“ General Abdel Moneim Kato, der als Berater des Obersten Militärrates fungiert. „Und dann sorgen Sie sich noch um dieses Gesindel, das besser in Hitlers Gaskammern verbrannt worden wäre.“ Auch Generalskollege Adel Omara rechtfertigte in einer live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz das Vorgehen der Armee. Die Soldaten hätten Zurückhaltung geübt, obwohl sie von Schlägern und Brandstiftern angegriffen worden seien. Diese wollten den Staat zerstören und hätten nichts mehr gemein „mit den ehrenhaften Aktivisten der Revolution vom 25. Januar“.

Derweil gingen auch am Dienstag die schweren Auseinandersetzungen im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt weiter. In den frühen Morgenstunden versuchten Soldaten und Bereitschaftspolizisten erneut, den Tahrir-Platz mit Tränengas und Schlagstöcken von Protestierern zu räumen. Wieder waren zahlreiche Schüsse zu hören. 13 Menschen haben in den vergangenen fünf Tagen bereits ihr Leben verloren, mehr als 800 wurden verletzt, an die 200 festgenommen. Für kommenden Freitag riefen zwei Dutzend Aktivistengruppen in Kairo zu einem Millionen-Menschen-Marsch auf, der unter dem Motto „Nieder mit der Militärherrschaft“ stehen soll.

In ihrer Philippika gegen Ägyptens Armee aber ging die erboste Hillary Clinton noch einen Schritt weiter. Die brutalen Übergriffe offenbarten „ein tief beunruhigendes Muster“ auf Seiten der militärischen Führung und der großen politischen Parteien, Frauen systematisch von der Macht auszuschließen, sagte sie. Frauen hätten genauso wie die Männer für die Revolution ihr Leben riskiert. Nun aber würden sie von allen Entscheidungsprozessen abgeschnitten und dazu noch öffentlich erniedrigt.

So gehören dem kürzlich vom Militärrat neu ernannten 30-köpfigen Übergangskabinett nur drei Ministerinnen an. Für die ersten demokratischen Parlamentswahlen wurde die unter Hosni Mubarak eingeführte Zehn-Prozent-Frauenquote im Parlament wieder abgeschafft. Nicht eine einzige Frau errang in der ersten Etappe Ende November ein Direktmandat. Auch sind die Parteien auf ihren Listen lediglich verpflichtet, eine einzige Frau zu nominieren. Die extrem konservativen Salafisten weigern sich sogar, ihre Kandidatin auf Wahlplakaten abzubilden. Zu sehen sind lediglich die bärtigen Bewerber, das Frauenfoto ist durch eine Blume ersetzt.

Aber auch die jüngsten sexuellen Übergriffe gegen Frauen sind keine Einzelfälle. Bereits kurz nach dem Sturz Mubaraks im Februar kam es in Kairo bei einer Demonstration von Islamisten zu schweren Entgleisungen. Im März nahmen Militärpolizisten 17 Demonstrantinnen fest, sperrten sie im Untergeschoss des Ägyptischen Museums ein und unterzogen sie vor den Augen feixender Soldaten einem sogenannten „Jungfrauentest“. Nur eines der jungen Opfer wagte es später, Anzeige gegen die Militärführung zu erstatten. Ihr Prozess soll nun nach langen Verzögerungen am 27. Dezember beginnen.

Die am vergangenen Sonnabend über den Tahrir-Platz geschleifte, misshandelte und teilweise entkleidete junge Frau hat nach Auskunft ägyptischer Menschenrechtler ihre Tortur mit leichten Verletzungen an Händen und Beinen überstanden. Aus Scham über das Erlittene will sie ihren Namen nicht in Zeitungen lesen. „Es ist völlig egal, ob ich rede oder nicht“, wird sie im britischen „Guardian“ zitiert. „Die Bilder, wie sie mir die Kleider vom Leib reißen, sprechen für sich. Das sollte reichen, um das Militär zu überführen und alle aufzuklären, die immer noch an die Armee glauben.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false