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Politik: Gewerkschaften drohen SPD mit Bruch

DGB-Chef im Reformstreit: Wir kriechen nicht zu Kreuze / Rot-Grün steht zu Eichel / Koch fordert Neuwahlen

Berlin. Trotz der Warnung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), dass der Reformbedarf mit der Agenda 2010 noch nicht gedeckt sei, geht die Kritik an seinen Plänen weiter. DGB-Chef Michael Sommer hält nun selbst einen Bruch zwischen den Gewerkschaften und der SPD für möglich. Der SPD-Linke Michael Müller schließt nicht aus, dass Schröders Reformpläne in der SPD-Fraktion scheitern. Trotz der dramatischen Finanzlage stärkte die Regierungskoalition Minister Hans Eichel am Sonntag den Rücken. Eichel selbst schloss einen Rücktritt erneut aus. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forderte Neuwahlen.

Sommer betonte, es gebe zwar bei vielen den Willen, in der Auseinandersetzung um die Agenda 2010 einen Bruch zu vermeiden. „Aber das geht nicht auf der Grundlage dessen, dass die Gewerkschaften zu Kreuze kriechen.“ Der DGB-Chef warnte Schröder davor, „mit dem Kopf durch die Wand“ zu wollen. Dagegen warnte der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Harald Schartau im Tagesspiegel die Gewerkschaften davor, sich aus der Reformdebatte in Deutschland zu verabschieden. Auch der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion, Michael Müller, kritisierte die Position der Gewerkschaften. „Mit Wachstums- und Konjunkturspritzen alleine löst man die Probleme nicht“, sagte Müller. Die Gewerkschaften dürften sich nicht länger um strukturelle Lösungen drücken. Zugleich warnte er den Kanzler mit Blick auf den SPD-Sonderparteitag am 1. Juni. „Selbst wenn Schröder auf dem Parteitag eine Mehrheit bekommt, heißt das noch lange nicht, dass er auch die Zustimmung der Fraktion hat“, sagte Müller dem Tagesspiegel. Der Änderungsantrag der SPD-Linken für den Parteitag finde bei Veranstaltungen der Basis „viel mehr Zustimmung“ als der eigentliche Agenda-Text, sagte Müller. Er verlangte, die Partei müsse nun eine „Verständigungs- und keine Konfrontationsdebatte führen“.

Koch begründete seine Forderung nach Neuwahlen damit, dass die Bundesregierung das „eigentliche Hemmnis für den Aufschwung“ in Deutschland sei. Sollte das Land nicht in absehbarer Zeit aus dem Tal herauskommen, bedeute dies: „Deutschland wird ärmer.“ Schröders Reformen seien nur ein „Miniaturreförmchen“, sagte Koch der „Welt“. Vertreter von SPD und Grünen nahmen unterdessen Finanzminister Eichel gegen die Rücktrittsforderungen der Opposition in Schutz. „Das ist eine unsinnige Forderung“, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß dem Tagesspiegel. Nicht Eichel habe die Probleme der öffentlichen Finanzen zu verantworten, sondern vor allem die Union. Die Haushaltsexpertin der Grünen, Antje Hermenau, sagte: „Es ist nicht fair, den Buchhalter der Nation für die Versäumnisse der anderen verantwortlich zu machen.“ Auch der Chef des Sachverständigenrats, Wolfgang Wiegard, bezeichnete die Forderung als im „Handelsblatt“ als „Unsinn“. Eichel selbst sagte am Sonntagabend im ZDF: „So lange der Kanzler mir vertraut und mich unterstützt – und beides tut er – bleibe ich.“

Laut einer polis-Umfrage im Auftrag von dpa verlangen fast 75 Prozent der Deutschen von Regierung und Opposition, die Probleme im Land gemeinsam zu lösen.

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Markus Feldenkirchen

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