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Gewerkschaften: Unter Genossen

Die Gewerkschaften suchen wieder die Nähe der SPD – und die Linkspartei fürchtet um ihre Wähler.

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Berlin - Der Empfang für den SPD-Kanzlerkandidaten war wenig freundlich: Als Frank-Walter Steinmeier am Wochenende auf dem Kongress der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Nürnberg sprach, provozierte er Pfiffe und erntete nur matten Applaus.

Doch aus dem Verhalten der Funktionäre der kleinen Einzelgewerkschaft lässt sich nicht auf die Gefühle der Mehrheit der deutschen Gewerkschaftsvertreter gegenüber der SPD schließen. Denn nach Jahren des Streits über Gerhard Schröders Reformpolitik suchen die Arbeitnehmervertreter im Wahljahr 2009 wieder engeren Schulterschluss mit der SPD. Prominente Sozialdemokraten wollen den Arbeiterfeiertag 1. Mai denn auch nutzen, um sich den Gewerkschaften als politischer Partner zu empfehlen – auch wenn Parteichef Franz Müntefering nicht auf der zentralen DGB-Kundgebung in Bremen auftreten wird.

„Grundsätzlich ist das Verhältnis besser geworden“, sagt der SPD-Linke Ottmar Schreiner, der nach der Agenda 2010 und der Rente mit 67 immer wieder vor einem Zerwürfnis mit den Gewerkschaften gewarnt hat. Das sieht auch der Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder so, ein Kenner der Gewerkschaften: „Der Höhepunkt der Auseinandersetzung mit der SPD ist spätestens mit dem Jahr 2006 überwunden worden“, sagt er. Schon der frühere SPD-Chef Kurt Beck warb um den entfremdeten Partner. Doch spätestens seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise erleben die Vertreter der Arbeitnehmer die Regierungspartei als hilfreichen Verbündeten. „In den vergangenen zehn Jahren gab es nie eine so enge Kooperation zwischen beiden Partnern wie im Moment“, beobachtet Schroeder.

Gerade in der Krise sei „deutlich geworden, dass man sich aufeinander verlassen kann“, meint auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Seine Partei und die Gewerkschaften seien im Gegensatz zur Union und zur FDP davon überzeugt, dass die Krise nicht als Betriebsunfall abgebucht werden dürfe. Heil unterbreitet dem umworbenen Partner auch ein Angebot: „Gemeinsam wollen wir grundlegende Konsequenzen aus der Krise ziehen, damit die Wirtschaft den Menschen dient und nicht umgekehrt.“ Wie das geschehen soll, darin sind sich die Genossen allerdings keineswegs einig. So können sich Ottmar Schreiner und auch die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel vorstellen, die DGB-Forderung nach einem neuen Konjunktprogramm und der Vermögensteuer zu unterstützen; die SPD- Führung ist da noch zurückhaltend.

In den Gewerkschaftszentralen wird trotzdem wohlwollend registriert, dass die SPD-Führung sich bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise eng mit ihnen abstimmt: So stammt die Idee der Abwrackprämie, die Kanzlerkandidat Steinmeier in der Koalition durchsetzte, aus den Reihen der IG Metall. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) setzte sich ebenfalls in enger Abstimmung mit Betriebsräten und Gewerkschaften für eine Ausweitung der Kurzarbeit ein, um Entlassungen zu verhindern. Eine Wahlaussage für die Sozialdemokraten werden die Gewerkschaftsbosse zwar auch in diesem Jahr nicht abgeben. Doch im Willy-Brandt- Haus erhofft man sich dennoch, dass die Gewerkschaften mit ihren rund sechs Millionen Mitgliedern Wähler für die SPD mobilisieren werden. „Es ist, als ob sich ein Knoten gelöst hätte. So eine Offenheit hatten wir seit vier bis fünf Jahren nicht mehr“, sagt ein Politiker aus der SPD-Führung.

Mit Argwohn beobachtet die Linkspartei die neu belebte Partnerschaft. Schließlich gehören für Parteichef Oskar Lafontaine Gewerkschaftsmitglieder zu den potenziellen Wählern seiner Partei, welche die Linke vor allem im Westen stärker machen könnte. Doch ausgerechnet im Wahljahr 2009 beklagen Gewerkschafter in der Linken, dass sie in ihrer Partei nicht genügend respektiert werden. „Bei den Listenaufstellungen für den Bundestag sind Gewerkschafter abgemeiert worden“, sagt Klaus Ernst, Vizechef der Partei und Vorsitzender der IG Metall Schweinfurt. „In der Linken sind jetzt ausrechnet diejenigen abgemeldet, die die Partei in den letzten vier Jahren im Westen aufgebaut haben.“ Ernst kritisiert, dass die Linke zu stark durch parteiinterne Strömungen dominiert werde, die vor allem um ihre eigenen Positionen kämpften – von der Kommunistischen Plattform bis zur Antikapitalistischen Linken. „In der Partei halten viele im Moment den Streit um die Ausgestaltung des Sozialismus für wichtiger als die Frage, wie man Millionen Arbeitnehmern in der Krise die Existenz sichern kann. Das interessiert weder den Stahlarbeiter noch die Verkäuferin, die um ihren Job bangt“, sagte er.

Der Linken-Politiker warnte davor, dass dadurch gerade in der Wirtschaftskrise viele Wähler aus dem gewerkschaftsnahen Milieu der SPD zugetrieben würden. „Die SPD übernimmt verbal viele unserer Positionen. Auf dieser Schleimspur könnten viele Betriebsräte und Gewerkschaftsmitglieder ausrutschen. Für die Linke ist das sehr gefährlich“, sagte Ernst. Der Gewerkschaftsfunktionär will sich deshalb dafür einsetzen, dass in seiner Partei „ein Zentrum“ entsteht, an dem pragmatische Politiker aus Ost und West und aus allen Strömungen mitwirken.

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