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Muente

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Gewerkschaftstag: Beifall und Pfiffe für Müntefering

Mindestlohn ja, Rente mit 67 auch! Auf dem Kongress der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten konnte der alte und neue SPD-Chef mit der ersten Forderung punkten, mit der zweiten hat er die Kollegen verärgert.

Seinen ersten Auftritt hatte Franz Müntefering ausgerechnet auf einem Gewerkschaftstag. Und dort erwarteten den alten und neuen SPD-Vorsitzenden nicht nur Beifall sondern auch Pfiffe. Auf dem Kongress der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Berlin verteidigte Müntefering am Montag dann pflichtbewusst die von ihm eingeführte Rente mit 67 Jahren, die von den Gewerkschaften stets abgelehnt worden ist. Die Menschen hätten 1960 durchschnittlich zehn Jahre im Ruhestand gelebt, künftig werden es mehr als 20 Jahre sein – und die Kosten dafür, müssten erarbeitet werden. Zum Auftakt des viertägigen Gewerkschaftstages plädierte der ehemalige Arbeitsminister allerdings für differenzierte Regelungen bei der Rente, um individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Doch das Eis war schnell gebrochen, denn Müntefering und der NGG-Vorsitzende Franz-Josef Möllenberg waren sich vor allem bei der Frage nach Mindestlöhnen einig: Wie sein Vorredner, Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD), der selbst NGG-Mitglied ist, plädierte Müntefering vor allem in der Leih- und Zeitarbeitsbranche für ein Mindestentgelt. Bei zu niedrigen Gehältern, müssten die staatlichen Sozialkassen die betroffenen Arbeitnehmer später bezuschussen. „Mindestlöhne sind also auch ordnungspolitisch vernünftig“, sagte der SPD-Chef. Die Sozialdemokraten nähmen an „sittenwidrig niedrigen Löhnen“ ebenso Anstoß wie an „sittenwidrig hohen“ Gehältern, sagte er in Anspielung auf die Diskussion um überhöhte Managergehälter und Abfindungen. Müntefering zufolge habe der Marktradikalismus ausgedient: „Es gibt nichts Sicheres als organisierte Solidarität im Sozialstaat.“

NGG-Chef Möllenberg hatte sich kurz vor dem Kongress auch für ein Konjunkturprogramm ausgesprochen, auf das Müntefering aber nicht einging. Bei dem viertägigen Gewerkschaftstag wird auch ein neuer Vorstand gewählt. Die Wiederwahl von Möllenberg gilt als sicher. Der ausgebildete Bankkaufmann arbeitet seit 1975 hauptamtlich für die NGG und ist seit 1992 Vorsitzender. Möllenberg ist damit dienstältester Vorsitzender einer Einzelgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Der NGG-Chef, der unter Gewerkschaftern auch im eigenen Verband als eher konfliktscheu gilt, machte den Gästen aus der Politik angesichts der Finanzkrise ein ungewöhnliches Geschenk. Für Arbeitsminister Scholz und seinen Parteikollegen Müntefering gab es die dreibändige und illustrierte Ausgabe von Karl Marx´ Hauptwerk „Das Kapital“. Für Müntefering sei der Klassiker – neben dem Grundgesetz – eines der wichtigsten deutschen Bücher.

Die Gewerkschaft NGG feierte 2005 ihr 140-jähriges Bestehen und ist damit die älteste Einheitsgewerkschaft Deutschlands. Sie vertritt rund 200.000 Mitglieder und gehört damit zu den kleineren Organisationen im DGB.

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