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Politik: Glauben ohne Heimat

Die Katholiken vertrauen ihrer Kirche nicht mehr, sagen Unternehmensberater. Die „Kunden“ vermissen Transparenz – und Moral

Wäre die katholische Kirche ein Unternehmen, bräuchte sie umgehend eine Totalsanierung. Das „Kundenurteil“ ist vernichtend, der Vertrauensschwund erschreckend und die Unzufriedenheit mit der Tätigkeit groß. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung, die die Unternehmensberatung McKinsey zusammen mit dem Magazin „Stern“, T-Online und dem ZDF erarbeitet hat und die von McKinsey-Direktor Thomas von Mitschke in Berlin vorgestellt wurde.

Eine beträchtlicher Anteil der Deutschen traut der katholischen Kirche nicht mehr zu, sich zum Positiven zu ändern. Sie empfinden ihr Verhalten als wenig transparent und sind überzeugt, dass mit den Kirchensteuermitteln nicht effizient und sparsam gewirtschaftet wird. „Die katholische Kirche sieht sich signifikant deutlicher als die evangelische Kirche einem Vertrauensschwund ausgesetzt, der weit in den Kern ihrer Mitglieder hineinreicht“, so das Fazit der Untersuchung.

Die Kirchendaten waren ausgekoppelt worden aus der am Mittwoch veröffentlichten Gesamtstudie „Perspektive Deutschland“, bei der etwa 356 000 Bürger zu ihrer Meinung über Zustand und Reformbedarf von 22 Institutionen befragt wurden. Das hohe Misstrauen gegenüber der katholischen Kirche sei „ein sehr nachdenkliches Urteil für eine Institution, die Werte vermittelt", sagte von Mitschke. Nach seiner Einschätzung gibt es in Deutschland nicht nur ein Kirchenproblem, sondern ein speziell katholisches Kirchenproblem. Die Umfragewerte der evangelischen Kirche sind in allen Punkten besser, auch wenn sie im Vergleich zu anderen deutschen Institutionen nur mittelmäßig waren. Ähnlich schlecht wie die Kirchen schnitten nur noch die Gewerkschaften ab. Das katholische Sozialwerk Caritas dagegen wird sehr viel positiver wahrgenommen und bekam „hervorragende Noten“.

Für die katholische Kirche bedeutet dies, dass sie von außen primär noch wahrgenommen wird als „ein Sozialbetrieb, der weniger Geld für seine Verwaltung ausgeben sollte“. Aus der Sicht von McKinsey muss sie deswegen alles daran setzen, ihre Glaubwürdigkeit als Institution wieder herzustellen. Das gehe nur durch bessere Transparenz und einen viel effizienteren Umgang mit den Kirchensteuermitteln. Bislang wirtschaften alle 27 Diözesen selbstständig, unterhalten 27 Personalverwaltungen, 27 Vermögensverwaltungen und 27 Caritasverbände. Diese teure Kleinstaaterei könne sich kein in Deutschland flächendeckend arbeitendes Unternehmen mehr leisten, so die Experten. Zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit gehöre aber auch ein „Nullfehlerprogramm“ für die Amtskirche. Wer einen derart hohen moralischen Anspruch an andere anlege, müsse diesen auch auf das eigene Personal anwenden.

Des Weiteren empfiehlt McKinsey, mehr Sorgfalt in die Ausbildung und Betreuung kirchlichen Personals zu legen, das laut Umfrage eine hohe Loyalität zur katholischen Kirche hat und seine Aufgaben gut erfüllt. Zudem müsse die katholische Kirche stärker auf Fremde und Kirchenferne zugehen. Gelinge es ihr nicht, ihre Glaubwürdigkeitskrise nachhaltig zu überwinden, so von Mitschke, „läuft sie Gefahr, nicht nur gesellschaftspolitisch marginalisiert, sondern vor allem auch ihrer Aufgabe und ihrem Anspruch gegenüber den Menschen nicht mehr gerecht zu werden".

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