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Politik: Glaubensfragen

Buttiglione soll allein erziehende Mütter gerügt haben – doch der designierte EU-Kommissar dementiert

Von Hans Monath

Berlin - Rocco Buttiglione, der designierte EU-Kommissar für Inneres und Justiz, hat einen neuen Wirbel ausgelöst. Nach seinen Attacken auf Homosexuelle soll der italienische Politiker nun allein erziehende Frauen getadelt haben. „Kinder, die keinen Vater haben, sondern nur eine Mutter, sind Kinder von Müttern, die nicht sehr gut sind“, sagte er laut italienischen Medienberichten. Damit verschärfte sich der Streit um Buttigliones Wahl zum EU-Kommissar.

Der strenggläubige Katholik Buttiglione wies die Berichte empört zurück und warf Journalisten vor, seine Worte verdreht und aus dem Zusammenhang gerissen zu haben. Tatsächlich habe er am Freitagabend bei einer Konferenz in Saint Vincent im Nordwesten Italiens über die Beziehungen zwischen den USA und Europa gesprochen und dabei Mütter, Väter und Kinder nur in einem Vergleich erwähnt, erklärte Buttiglione in einer schriftlichen Stellungnahme. Er habe gesagt, „dass es das Beste sei, wenn Europa und die Vereinigten Staaten weiter Seite an Seite stünden, damit ihre Kinder (die Völker) eine Mutter und einen Vater haben.“ Weiter erklärte Buttiglione: „Ich muss dieses Verhalten von Teilen der Presse verurteilen, indem durch Weglassen und Zusammenfügen einiger Passagen Dinge berichtet werden, die ich nie gesagt habe.“ Allein erziehende Mütter hätten seinen vollen Respekt, fügte er hinzu.

Während Buttiglione um die Klarstellung bemüht war, zeigte sich die Vorsitzende des Bundestags-Familienausschusses, Kerstin Griese (SPD), entsetzt. „Buttiglione hat ein fundamentalistisches und völlig veraltetes Verständnis der Rollen von Männern und Frauen“, sagte sie dem Tagesspiegel am Sonntag. Es sei zudem „unverschämt“, dass er Kindern allein erziehender Mütter einreden wolle, sie hätten keine richtigen Eltern. „Ein solcher Politiker sollte nicht das Bild Europas prägen“, sagte Griese.

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir erklärte, die Kandidatur habe sich nun endgültig erledigt. „Buttiglione war schon im Abseits, als er sich im Europäischen Parlament disqualifizierte – jetzt sollte er endgültig ausgewechselt werden“, sagte Özdemir dieser Zeitung. Die Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament sei sich einig, notfalls die gesamte Kommission abzulehnen, um die Bestellung Buttigliones zu verhindern.

Unterdessen nahm der designierte EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) Buttiglione in Schutz, ohne sich dessen Meinung zu Eigen zu machen. Verheugen sagte dem „Spiegel“, Buttiglione habe zugesichert, dass er persönliche Wertvorstellungen nicht über das europäische Regelwerk stellen wolle.

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok wies die Kritik mit einer ähnlichen Begründung zurück. „Hier wird eine Hexenjagd inszeniert“, sagte Brok, der dem Vorstand der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört. Buttiglione habe deutlich erklärt, dass er sich ungeachtet seiner Überzeugung an die Grundrechtscharta und die Verfassung halten werde. Der Europapolitiker warnte vor einer Verfassungskrise der EU. Katholisch geprägte Länder wie Polen würden es nicht hinnehmen, dass ein Kommissar seiner religiösen Überzeugung wegen abgelehnt werde. „Es muss auch ein dezidierter Christ die Möglichkeit haben, EU-Kommissar zu werden“, sagte Brok dem Tagesspiegel am Sonntag.

Die Kritiker Buttigliones bestreiten allerdings, dass dessen Weltbild ohne Wirkung auf seine Amtsführung bleiben könnte. „Buttiglione ist absolut ungeeignet, als Kommissar für Inneres und Justiz die Werte zu vertreten, die in der Grundrechtscharta und der EU-Verfassung niedergelegt sind“, sagte die Grünen-Parteichefin Claudia Roth dieser Zeitung. „Wie soll ein Mann, der Homosexualität als Sünde begreift, den Antidiskriminierungs-Artikel der EU-Verträge mit Leben füllen?“, fragt die frühere Europa-Abgeordnete rhetorisch.

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