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Noch ein langer Weg zur Gleichbehandlung.

© dpa

Gleichbehandlungsgesetz: Wir müssen über eine Migrantenquote in Unternehmen nachdenken

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wurde vor zehn Jahren beschlossen. Seitdem hat sich viel getan, aber noch nicht genug. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Vor zehn Jahren verabschiedete der Bundestag das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Seitdem hat sich viel getan. Jeder international agierende Konzern hat seine Diversity-Beauftragten, die an Strategien feilen, damit die Belegschaft vielfältiger wird. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist kein Aufreger mehr, mit dem man Wahlen gewinnen kann. Die Inklusion benachteiligter Schüler ist beschlossene Sache, die Frauenquote wurde eingeführt und viele Deutsche akzeptieren, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist. Es ist freilich in vielen Bereichen noch viel Luft nach oben, was die Umsetzung angeht.
Doch nicht wenigen gehen schon diese Veränderungen viel zu weit. Sie fühlen sich abgewertet in ihrem traditionellen Weltbild, abgehängt von den Anforderungen einer globalisierten Arbeitswelt und ausgegrenzt von einer Mehrheit, die allen pausenlos noch mehr Offenheit und Verständnis entgegenbringt, nur ihnen nicht. Populisten antworten darauf mit der Fiktion, es könne ein Zurück zu homogenen Gesellschaften der Vergangenheit geben.

Man müsse aufhören mit dem "Genderwahn", sagen Populisten

Man müsse nur aufhören mit dem „Genderwahn“, die Grenzen hochziehen und alles verbieten, was ihnen fremd ist. Ihre Ressentiment geladenen Parolen verfangen in erschreckendem Maße. Wie es aussieht, wird es in den kommenden Jahren eher wieder schwieriger und zäher werden, gegen Diskriminierung anzukämpfen. Zugleich wird es durch die vielen Flüchtlinge noch viel mehr Anlässe dafür geben.
Eine angemessene Reaktion ist nicht, das Erreichte zurückzudrehen oder dabei stehen zu bleiben. Eine freiheitliche plurale Gesellschaft darf sich nicht damit abfinden, dass Menschen benachteiligt werden, sei es im Arbeitsleben, bei der Wohnungssuche oder beim Abschluss einer Versicherung, nur weil sie fremd klingende Namen haben, über 55 Jahre alt sind, Kopftuch tragen oder im Rollstuhl sitzen. Ressentiments kennen außerdem weder Quoten noch Grenzen.

Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert - auch durch das Gesetz

Angemessen ist, den eingeschlagenen Weg beharrlich und zugleich behutsam weiterzugehen. Das Gleichstellungsgesetz hat sich bewährt und Menschen zu ihrem Recht verholfen. Es hat sich auch als wirksames Instrument erwiesen, um das Bewusstsein in Unternehmen und Institutionen zu verändern. Es versteht sich von selbst, dass das Gesetz nach zehn Jahren juristisch auf den neuesten Stand und wieder auf Höhe des veränderten internationalen Rechts gebracht werden muss.
Nach zehn Jahren wäre es sinnvoll, wenn auch mittelständische Unternehmen darüber nachdenken würden, wie sie durch gezielte Maßnahmen Vielfalt fördern und Barrieren abbauen können. Es gibt viele nützliche Werkzeuge dazu. Die Gutachter, die das Gleichstellungsgesetz evaluiert haben, nennen Betriebsvereinbarungen, Förderpläne, Selbstverpflichtungen. Doch bei der Frauenförderung hat sich gezeigt, wie groß die Beharrungskräfte sind, wie wenig sich tut ohne Druck von außen.

Warum nicht nachdenken über eine Quote für Migranten?

Die Quote war und ist ein Reizwort. Doch warum nicht auch über eine Migrantenquote in Unternehmen und Behörden nachdenken? Es gäbe im Moment und vermutlich auch in fünf Jahren keine gesellschaftliche Mehrheit dafür. Aber vielleicht in zehn Jahren, wenn sich andere Wege als wenig wirksam erwiesen haben oder gar nicht erst versucht wurden. Man könnte eine solche Quote an Bedingungen knüpfen, zum Beispiel an die deutsche Staatsbürgerschaft – um Befürchtungen zu begegnen, dass Ausländer oder gar Flüchtlinge den Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen.
Mentalitäten verändern sich nicht von heute auf morgen, sondern in einem langen Prozess mit vielen Rückschlägen und neuen Anläufen. Es hat 30 Jahre gedauert, bis die Frauenquote beschlossen wurde, und auch dann nur in der Light-Version. Doch die vielen Debatten und erbitterten Konflikte bis dahin waren nicht vergebens. Sie haben aus dem „Gedöns“ ein Thema reifen lassen, das die Gesellschaft verändert hat. Beharrlichkeit zahlt sich eben doch aus.

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