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Wer bekommt wie viel? Noch immer werden Frauen in Deutschland im Schnitt nicht fair entlohnt.

© AdobeStock/treety

Gleiches Geld für Frauen und Männer: „Unterm Strich hat das Gesetz keine Wirkung“

Wirtschaftsforscher Andreas Koch hat das Gesetz für Entgelttransparenz evaluiert. Warum es nicht wirkt und was geändert werden müsste, um den Gender Pay Gap zu minimieren, erklärt er im Interview.

Herr Koch, das Entgelttransparenzgesetz soll dazu beitragen, dass Männer und Frauen gleich bezahlt werden. Es wurde einst von der Großen Koalition beschlossen. Ihrer Evaluation zufolge hat es fast keine Wirkung. Warum?
Das Gesetz regelt drei Instrumente: Es gibt einen individuellen Auskunftsanspruch in Betrieben ab 200 Beschäftigten. Wer dort arbeitet, kann erfragen, wie viel Kolleginnen oder Kollegen des anderen Geschlechts mit vergleichbarer Tätigkeit verdienen, wenn es davon mindestens sechs gibt. Betriebe mit bis zu 500 Beschäftigten können freiwillig einen Bericht zum Thema Entgeltgleichheit vorlegen, Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten sind dazu sogar verpflichtet. Das Problem ist, dass alle drei Instrumente relativ wenig genutzt werden.

Was bedeutet das in Zahlen?
Zum Beispiel haben unserer Befragung zufolge nur vier Prozent der Beschäftigten schon einmal eine offizielle Anfrage gestellt, um herauszufinden, ob sie fair entlohnt werden. Es gibt einige Hürden und Anforderungen, trotzdem ist das ziemlich wenig. Von den großen Betrieben, die zu einem Bericht verpflichtet wären, kommen nur 30 Prozent dieser Pflicht nach, wenn es eine Tarifbindung gibt, und ohne sind es sogar nur 10 Prozent.

Wie kann das sein?
Das liegt vermutlich schlicht daran, dass es keine Sanktion gibt, wenn ein Betrieb die Pflicht verletzt. Außerdem ist das Gesetz ziemlich unklar formuliert. Mal ist von Betrieb die Rede, dann von Arbeitgeber, dann wieder von Konzern. So entsteht schnell der Eindruck, die Sache mit der Berichtspflicht ließe sich womöglich zurechtbiegen. Unterm Strich hat das Gesetz keine Wirkung.

Nicht einmal für die einzelne betroffene Person?
Doch, das schon. Es kommt vor, dass Menschen eine Anfrage stellen, dadurch eine Ungleichbehandlung aufgedeckt wird und in der Folge das Gehalt angepasst wird. Aber das sind so wenige Fälle, dass es statistisch keinen relevanten Unterschied macht. Es wäre auch denkbar, dass Betriebe aktiv geworden sind, um erst gar nicht durch Anfragen dazu gezwungen zu werden. Dann hätte das Gesetz über Bande Wirkung entfaltet. Aber auch das ist nicht feststellbar.

Wie groß ist das zugrundeliegende Problem noch, dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer?
Das ist leider nach wie vor ein großes Problem. Unbereinigt liegt der Gender Pay Gap bei 18 Prozent. Und selbst wenn man einbezieht, wie sich Berufserfahrung, Qualifikation und ähnliche Faktoren unterscheiden, bleiben immer noch sieben Prozent übrig.

Was müsste geändert werden, damit das Gesetz Wirkung entfalten kann?
Einerseits muss das Gesetz bekannter gemacht werden, von der Politik, aber auch von Betrieben und Betriebsräten. Zweitens braucht es mehr Klarheit im Gesetzestext, und drittens mehr Verbindlichkeit und ganz offensichtlich auch Sanktionsmöglichkeiten. Problematisch ist zum Beispiel auch, dass bisher jede betroffene Person einzeln vor Gericht ziehen muss, wenn ein Arbeitgeber sich sperrt. Es bräuchte ein Verbandsklagerecht. Die Ampel hat ein solches im Koalitionsvertrag vereinbart, umgesetzt ist das aber noch nicht.

Braucht es die EU, damit sich für deutsche Beschäftigte mehr tut?
Im Juni ist eine neue EU-Entgelttransparenzrichtlinie in Kraft getreten. Sie muss innerhalb von drei Jahren in deutsches Recht umgesetzt werden und wird die Berichts- und Auskunftspflichten verschärfen. Das ist eine gute Nachricht für deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

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