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Politik: Gleichmachen, was anders ist?

Von Tissy Bruns

Zu den kleineren Irrtümern der jüngsten Schwulendebatte zählt die Behauptung, es seien die 68er gewesen, die das Private für politisch erklärt hätten. Tatsächlich hält es die Menschheit seit jeher so, dass die Ehe öffentlich, „vor den Menschen“ geschlossen wird. Die Liebe hat als Ehestifterin noch keine lange Vergangenheit. Dass der private Kern der Ehe Vorrang hat vor wirtschaftlichen, dynastischen oder Standesinteressen, war eine revolutionäre bürgerliche Emanzipationsleistung. Es ist einer der großen Irrtümer der Debatte, dass die „Ehe nur noch eine Form unter vielen“ ist, wie es bei den Jungen Liberalen heißt, die Guido Westerwelles Forderung nach „voller Gleichberechtigung“ homosexueller Lebensgemeinschaften beipflichten, zum Beispiel beim Adoptionsrecht.

Das hat eine komische Seite und einen ernsten Kern. Ein wenig lächerlich ist es schon, wie Westerwelles öffentliches Bekenntnis und das heftige Fahnenschwenken für die schwule Sache zeitlich zusammentreffen. Zumal gerade jetzt ein Thema wie gerufen kommt, das Trennschärfe zur Union verspricht, der Westerwelle gerade die Koalition versprochen hat. Und von dort kommen verlässlich die Töne: Wir brauchen nicht mehr Schwule, sondern Familien, die Kinder kriegen und großziehen. Diese Äußerung des Brandenburger CDUChefs Jörg Schönbohm ist dumm; sie ist aber auch eingängig. Denn sie trifft auf Gefühle, die sich in den neuen Verteilungskonflikten breit machen, und dabei sind Ressentiments von legitimen Einwänden schwer zu unterscheiden.

Die ernste Frage lautet: Ist die „volle Gleichberechtigung“ der homosexuellen Lebenspartnerschaft mit der Ehe das richtige Maß der schwulen Emanzipation? Die Antwort ist ein klares Nein. Denn die alte Institution Ehe ist gleichzeitig zu fest und zu flüchtig. Niemand kann sich ganz befreien von den hergebrachten Mustern, nach denen wir Ehe als potenzielle Vater-Mutter-Kinder-Gemeinschaft assoziieren. Längst steht als neue Frage das Ehegattensplitting als wichtigstes Eheprivileg auf dem Prüfstand, denn es taugt nicht mehr als optimale Form der Familienförderung.

Nach der Beseitigung der strafrechtlichen Diskriminierungen hat der rot-grüne Gesetzgeber das bürgerliche Leitbild, das für Heterosexuelle die größte Selbstverständlichkeit ist, auf Schwule und Lesben ausgeweitet. Wer liebt, will sich dazu bekennen, durch Ehe oder Zusammenleben. Das ist der großartige humane Kern der „schwulen Ehe“, die im Volksmund zu Recht nicht Lebenspartnerschaft genannt wird. Ist das alles so normal in Deutschland, dass der Gesetzgeber getrost auf homosexuelle Ehen übertragen sollte, was heterosexuellen Paaren zusteht? Die ruhige Reaktion auf Westerwelles Outing zeugt von hoher Toleranzbereitschaft. Die Schwulen sind eine erfolgreiche Minderheit in Deutschland. 6000 homosexuelle Paare sind zum Standesamt gegangen, die meisten von ihnen leben als Dinks, mit „double income, no kids“. Es ist keine Frage, dass Kinder in schwulen und lesbischen Familien aufwachsen – und oft nicht schlechter als in traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familien.

Doch die Forderung nach „voller Gleichberechtigung“ beim Adoptionsrecht provoziert nicht nur bei homophoben Reaktionären Widerspruch. Schwule, um es nebenbei zu erwähnen, dürfen jetzt schon Kinder adoptieren. Ob sie es als Paare dürfen oder nicht, darf nicht vom Stand der Homosexuellen-Emanzipation abgeleitet werden. Dass sie als adoptierende Eltern anders angesehen werden als Frau und Mann, ist keine Diskriminierung, sondern einfach die Wahrnehmung des Unterschieds. Beim Adoptionsrecht gibt es nur einen legitimen Ausgangspunkt: das Kindeswohl. Es ist kein Geheimnis mehr, dass der Wandel unserer kulturellen Muster für Ehe und Familie auch eine Kehrseite hat: die Überforderung, die Kindern sehr viel zumutet. Es ist kein emotionales Kinderspiel, Eltern nicht als Vater und Mutter zu assoziieren. Das braucht viele gute Beispiele – und vor allem Zeit.

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