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Einer von ihnen. Bürger von Homs beten am Sarg eines Soldaten der „Freien syrischen Armee“. Foto: Zohra Bensemra/rtr

© REUTERS

Update

Bürgerkrieg in Syrien: Golfstaaten bieten Rebellen Waffen an

Die syrische Opposition setzt auf Waffenlieferungen aus dem Ausland. Das Stadtviertel Baba Amr, Hauptschauplatz der blutigen Auseinandersetzungen in Homs, haben die Rebellen mittlerweile aufgegeben.

Von Michael Schmidt

Für den Kampf gegen die Führung von Präsident Baschar al Assad wollen Teile der syrischen Opposition Waffenlieferungen aus dem Ausland organisieren. Der Syrische Nationalrat (SNC) kündigte am Donnerstag an, die Ausrüstung der Aufständischen über ein vermutlich in der Türkei angesiedeltes „Militärisches Büro“ zu koordinieren. Mehrere arabische Golfstaaten – Saudi-Arabien, Katar, Kuwait – kündigten an, sie wollten Waffen an die Deserteure der sogenannten Freien Syrischen Armee liefern.

Dass auf diesem Weg auch deutsche Waffen nach Syrien gelangen könnten, wollte Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (Bits) im Gespräch mit dem Tagesspiegel nicht ausschließen. Der Bits- Leiter äußerte sich aber zurückhaltend, weil Deutschland „keine Kriegswaffen, sondern nur Komponenten“ in diese Golfstaaten liefere. Es könne aber eine Situation wie im vergangenen Jahr in Libyen eintreten, dass zum Beispiel mit Frankreich gemeinsam hergestellte Waffen von Frankreich exportiert und so über Umwege in die Hände syrischer Rebellen gerieten, sagte Nassauer.

Unterdessen halten Russland und China in den Vereinten Nationen unbeirrt ihre schützende Hand über das Assad-Regime. Moskau und Peking stimmten am Donnerstag im UN-Menschenrechtsrat gegen eine scharfe Verurteilung der Führung in Damaskus. Der Rat insgesamt nahm die Syrien-Resolution mit großer Mehrheit an. Dafür stimmten 37 der 47 Mitglieder. „Russen und Chinesen stehen ziemlich alleine da“, hieß es.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen hat die syrische Armee am Donnerstag die vollständige Kontrolle über das Viertel Baba Amr in der Oppositionshochburg Homs erlangt. Die letzten „Widerstandsnester“ seien gefallen, hieß es. Die Soldaten verteilten nun Lebensmittel an die Bevölkerung und brächten Verletzte in Sicherheit. Das Viertel der Rebellenhochburg Homs lag seit mehr als drei Wochen unter Dauerbeschuss der syrischen Armee. Bei den Kämpfen wurden nach Angaben von Aktivisten am Donnerstag mindestens 17 Zivilisten getötet.

Die in Syrien verletzte französische Journalistin Edith Bouvier ist in Sicherheit. Der französische Präsident Nikolas Sarkozy bestätigte in Brüssel entsprechende Informationen aus dem Libanon. Nach Angaben von syrischen Oppositionellen konnte die 31-Jährige am Donnerstag aus der Provinz Homs in den Libanon geschmuggelt werden. Zusammen mit Bouvier konnte der französische Fotograf William Daniels in Sicherheit gebracht werden. Er hatte gemeinsam mit der 31-Jährigen für die französische Zeitung „Le Figaro“, aber auch für das „Time Magazine“ gearbeitet. Er soll unverletzt sein.

Bouvier war nach Angaben eines mutmaßlichen Mitgliedes der sogenannten Freien Syrischen Armee zunächst in der Nacht zum Dienstag mit dem britischen Fotografen Paul Conroy in Richtung libanesischer Grenze unterwegs gewesen. Dort seien sie von Truppen von Präsident Baschar al-Assad mit Artilleriegeschützen angegriffen worden. Ein Teil der Gruppe habe mit Conroy die Grenze erreicht. Ein anderer Teil habe Bouvier, die wegen ihrer Beinverletzung nicht laufen konnte, zurück nach Homs gebracht. Bouvier und Conroy waren in der umkämpften Stadt Homs zusammen mit weiteren Kollegen in einen Artillerieangriff geraten. Die amerikanische „Sunday-Times“-Kriegsreporterin Marie Colvin und der französische Fotograf Remi Ochlik kamen dabei ums Leben. Sie wurden nach Angaben von Oppositionellen mittlerweile vor Ort beerdigt. Eine Aufbewahrung der Leichen sei nicht möglich gewesen, weil es keinen Strom für die notwendige Kühlung gebe, hieß es.

Nach Informationen des französischen Radiosenders „France Info soll von Bouvier von Beirut aus so schnell wie möglich nach Frankreich ausgeflogen werden. Ihr schwerer Beinbruch muss nach Angaben der „Figaro“-Redaktion dringend operiert werden.

Nach dem Rückzug der Rebellen aus Baba Amr gewährt das Regime dem Internationalen Roten Kreuz Zugang zu dem Viertel.

Die syrische Regierung hat dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erlaubt, in das Rebellenviertel Baba Amr der Stadt Homs einzurücken, sobald es unter völliger Kontrolle der Streitkräfte ist. Das sagte ein IKRK-Sprecher der dpa am Donnerstag in Damaskus. „Das IKRK und der Syrische Rote Halbmond haben grünes Licht, am Freitag nach Baba Amr zu gehen und Lebensmittel- und medizinische Hilfe zu leisten sowie Personen herauszuholen“, sagte IKRK-Sprecher Salih Dabbikeh. Die syrischen Rebellen hatten am Donnerstag ihren Rückzug aus dem lange umkämpften Viertel angekündigt.

Zuvor hatte die syrische Armee hat ihre Angriffe auf die Rebellenhochburg Homs ausgeweitet. Wie am Mittwoch aus Damaskus verlautete, startete die Armee eine Bodenoffensive in Baba Amr. Die USA bemühten sich derweil um einen neuen Entwurf für eine Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat – der UN-Nothilfebeauftragten Valerie Amos verweigerte Syrien am Mittwoch die Einreise.

Der Bereich von Baba Amr sei „unter Kontrolle“, sagte ein Vertreter der syrischen Behörden. „Die Armee hat bereits eine Säuberung Block für Block, Haus für Haus vorgenommen, und jetzt durchforsten die Soldaten jeden Keller und jeden Tunnel auf der Suche nach Waffen und Terroristen“. Es gebe „nur noch einige wenige Widerstandsnester“.

Homs steht seit mehr als drei Wochen unter Beschuss. Aktivisten hatten zuvor von einer Verstärkung der Regierungstruppen durch eine Eliteeinheit der gefürchteten vierten Armeedivision des Generals Maher al Assad berichtet, was vermuten lasse, dass der „finale Angriff“ auf Homs bevorstehe. Nach Angaben der aus Deserteuren bestehenden Freien Syrischen Armee ist die Stadt komplett von der Außenwelt abgeriegelt.

Mehr als drei Dutzend Deserteure der syrischen Armee sind nach Angaben von Aktivisten in die Türkei geflohen. Haitham Fistik, ein Aktivist in der türkischen Grenzprovinz Hatay, sagte dpa am Telefon, am Montag seien etwa 40 syrische Deserteure über die Grenze gekommen. Unter ihnen seien mehrere ranghohe Offiziere. Der arabische Nachrichtensender Al Dschasira sprach von 37 Deserteuren.

Nachdem bereits zwei UN-Resolutionen zu Syrien am Widerstand der Veto- Mächte Russland und China gescheitert sind, bereiteten die USA laut UN-Diplomaten einen neuen Entwurf vor. Im Mittelpunkt stehe die humanitäre Hilfe für die belagerten Städte, womit der Westen hoffe, Russland und China überzeugen zu können. Gegen die beiden zuletzt vorgelegten Resolutionsentwürfe hatten die beiden ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats ihr Veto eingelegt, weil die Texte nur die Gewalt der Regierung verurteilten, aber nicht die , der Rebellen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden beim gewaltsamen Vorgehen der Regierung gegen die Opposition mehr als 7500 Menschen getötet. Zehntausende Oppositionelle wurden verhaftet und gefoltert, knapp Hunderttausend Menschen flohen. Die Kämpfe dauern nun seit elf Monaten an. (AFP/dpa/epd/rtr)

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