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Gorch-Fock-Besatzungsmitglieder: "Gebrüllt wird eigentlich immer"

Die Ausbildung auf der Gorch Fock ist alles andere als "eine Kaffeefahrt". Ehemalige Besatzungsmitglieder berichten über die Gepflogenheiten an Bord.

Berlin - Reisen nach New York und Kanada, in die Karibik, ins Mittelmeer, nach Afrika: Seine Zeit auf der Gorch Fock will der ehemalige Stabsgefreite der Bundeswehr nicht missen. Von 2005 bis 2007 heuerte der heute 29-jährige Niedersachse auf dem deutschen Segelschulschiff an. Als Mitglied der Stammbesatzung konnte sich der Soldat als Segelsetzer, Rudergänger, Verkäufer in der Schiffskantine und Hilfsausbilder an den Masten und an Deck ein umfassendes Bild über den Umgang an Bord verschaffen – es sind gegensätzliche Eindrücke, die sich im Gespräch mit dem 29-Jährigen vermitteln.

„Der Ton auf dem Schiff war rau, aber herzlich“, sagt er. Damit meint das frühere Mannschaftsmitglied vor allem die Lautstärke an Bord im Umgang miteinander. „Gebrüllt wird eigentlich immer.“ Dass das so ist, erklärt der 29-Jährige unter anderem mit den langen Wegen, die ein Befehl vom Vorgesetzten an Deck bis hinauf in die Takelage zurücklegen muss. Dort, in Höhen bis zu 40 Metern, sind angehende Seeleute mit dem Setzen, Einholen oder Raffen der Segel beschäftigt. Es ist jene Takelage, die im November 2010 der 25-jährigen Offiziersanwärterin Sarah Seele zum Verhängnis wurde. Sie stürzte aus bislang ungeklärter Ursache aus der Takelage und starb.

„Auf so einem Schiff ist nicht viel Platz für Fehler“, nimmt der ehemalige Stabsgefreite den mitunter barschen Ton der Vorgesetzten in Schutz. „Wenn etwas schiefgeht, kann das schnell das ganze Schiff und somit die ganze Besatzung in Mitleidenschaft ziehen.“ Leider seien sich viele Offiziersanwärter der potenziellen Gefahren an Bord nicht bewusst: „Sie waren der Meinung, sie könnten sich ein paar schöne Tage auf dem Schiff machen.“

Dabei sei die Ausbildung auf der Gorch Fock alles andere als „eine Kaffeefahrt“. Vor allem unzählige Stürme stellten die Mannschaft des heute 29-Jährigen immer wieder vor neue Herausforderungen. „Dann kriegst du keinen Schlaf, kannst nicht duschen oder dich rasieren, musst alles festhalten oder anbinden“, erinnert er sich. „Das ist eine große Anspannung für das ganze Team.“

Dabei hätten sich einige Sturmfahrten durchaus vermeiden lassen, meint der ehemalige Stabsgefreite. Immer wieder habe der jüngst abgesetzte Schiffskommandant, Kapitän Norbert Schatz, ohne Not Orkane regelrecht angesteuert. „Er wollte wohl den Geschwindigkeitsrekord des Schiffs brechen“, sagt das ehemalige Crewmitglied. „Dabei sind mehrere Segel gerissen.“

Bei aller Kritik, die jetzt an der Marine und dem Segelschulschiff laut wird: Es gibt kaum eine Stimme, die nicht auch Positives von dem Dreimaster zu berichten weiß. So auch ein ehemaliger Mitreisender, der 1995 im Rahmen der seemännischen Grundausbildung als Matrose auf der Gorch Fock war. Auch er möchte namentlich nicht genannt werden. Für den heutigen Offizier war die Zeit auf dem Segelschulschiff „eine der prägendsten Ausbildungsabschnitte in meiner Offizierausbildung“, sagt er. „Da hier ausnahmsweise keinerlei militärische Fachlichkeiten vermittelt wurden, sondern lediglich Tugenden, nimmt die Ausbildung auf der Gorch Fock eine Sonderstellung ein, die mit nichts anderem zu vergleichen ist.“

Für den Soldaten liegt der Kern der Ausbildung auf dem Schulschiff in der Charakterbildung des Einzelnen, darin, sich und seine Grenzen kennenzulernen. Darüber hinaus sei auf der Gorch Fock ein Gefühl der Kameradschaft vermittelt worden, welches in dieser Form nicht anderweitig zu vermitteln gewesen wäre. „Man konnte einfach merken, dass der Einzelne allein nicht bestehen kann“, sagt der Marineoffizier. „Nur durch die Gruppe war es möglich, gesteckte Ziele zu erreichen – und wenn es nur der nächste Hafen war.“ Das Ex-Crewmitglied hat die Ausbildung auf dem Dreimaster keinesfalls als „hart“ empfunden, sondern vielmehr als gute Vorbereitung auf weitere Bewährungsproben in der militärischen Karriere. „Dagegen ist die Zeit auf der Gorch Fock als durchaus angenehm zu bezeichnen.“

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