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Brown

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Gordon Brown: Pleiten, Pech und Brown

Nach einem Jahr im Amt hat die öffentliche Meinung den britischen Premier Gordon Brown zum Abschuss freigegeben.

Der 27. Juni 2007 war ein heiterer Sommertag. Die Briten freuten sich, dass in der Downing Street eine neue Epoche begann. Gordon Brown stieg als frischgebackener Premier aus dem Dienstrover, sagte: „Ich habe die Notwendigkeit des Wandels gesehen“, und machte sich voller Energie an die Arbeit. Ein Jahr später ziehen die Briten Bilanz und lassen kein gutes Haar an ihrem Premier.

Nur 26 Prozent würden heute Browns Labourpartei wählen. 53 Prozent wünschen, Tony Blair käme zurück. Noch schlimmer: Nur 13 Prozent glauben, dass Brown seine Hemden selber bügeln könnte. Der Premier, so die Botschaft, ist realitätsfern. Wohl noch nie wurde ein Führungspolitiker so lustvoll demontiert. Manche witzeln, allein die Anwesenheit Browns in einem Stadion besiegele die Niederlage seines Teams. Wie am 22. August 2007, als er bei der Neueröffnung des Wembleystadions neben Angela Merkel saß. Deutschland gewann 2:1.Jüngst wollte Brown US-Präsidenten George W. Bush vor der Downing Street besonders herzlich die Hand schütteln und entschied sich für einen so genannten Soul Brother Handshake, bei dem grob gesagt der Daumen des Gegenüber nachdrücklich umschlungen wird. Browns Finger landeten im Anzugärmel des verblüfften Bush. Die Nation lachte Tränen. Am bittersten urteilen diejenigen auf dem linken Flügel, die sich so viel von Brown erwarteten. „Wir haben uns getäuscht. Brown taugt nicht für den Job“, urteilte Kommentator Jonathan Freedland: „Nur ein Shakespeare könnte diese Geschichte erfassen, in der die Eifersucht eines Othello, der Ehrgeiz eines Macbeth und die Unentschlossenheit eines Hamlets zusammenkommen“. Damit meinte er die Jahre eifersüchtiger Intrigen Browns gegen Blair, das lange Pochen auf die Nachfolge, dann den Katalog verzögerter Entscheidungen.

Browns Niedergang begann, als er im Herbst erst Erwartungen auf eine vorgezogene Wahl schürte und dann im letzten Moment den Mut verlor. Diese Woche sagte Brown einem Interview, Menschen wollten Charakter, nicht Persönlichkeit. Eine Persönlichkeit wolle beeindrucken und tun, „was die Leute hören wollen“ – eine Anspielung Browns auf Tony Blair. Ein Charakter aber sagt laut Brown: „Hier stehe ich“. Aber die Briten wissen immer weniger, wo Brown steht. Ist er Garant freier Märkte oder der Sozialist, den die Labourlinke in ihm erhoffte? Ist er ein guter Europäer oder ein eherner Atlantiker? Er rühmt „britische Werte“ und will Terrorismusverdächtige 42 Tage ohne Gerichtsverfahren einsperren. Standhaft verweigerte er das Lissabon-Referendum, aber den Vertrag wagte er nur in einer kuriosen Solozeremonie zu unterzeichnen. Er bot den Chinesen die Stirn und empfing den Dalai Lama – aber nicht in der Downing Street.

Vor allem holt Brown seine Vergangenheit als Schatzkanzler ein. Jahrelang präsentierte er das britische Wirtschaftswunder als sein Werk: Hohes Wachstum, niedrige Inflation, Vollbeschäftigung. Nie war die Rede von Thatchers Arbeitsmarktreformen oder Chinas inflationsbremsenden Billigexporten. Nun steigt die Inflation, die Hauspreise sinken, die Schulden werden unbezahlbar und das Haushaltspolster fehlt, das Schatzkanzler Brown in den guten Jahren hätte anlegen müssen. Aber Brown, der Premier, gibt die Schuld anderen: Der US-Immobilienkrise oder Chinas Energiehunger. Vergangene Woche fand er den Sündenbock für die wachsende Ungleichheit in Großbritannien: Frau Thatcher, die seit 18 Jahren nicht mehr regiert. Die Briten interessieren sich jetzt vor allem dafür: Wer gibt den Startschuss für den Kampf um Browns Nachfolge.

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