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Gorleben: Wahlkampf ums Atom

Das Wirtschaftsministerium liest aus einer Studie Argumente für ein Atomendlager in Gorleben heraus. Der Chef des Bundesamts für Strahlenschutz ist irritiert: Das Wirtschaftsministerium ist für solche Gutachten eigentlich nicht zuständig.

Für die Union ist die Atomenergie ein Wahlkampfthema. Und im von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geführten Wirtschaftsministerium hat der Wahlkampf schon längst begonnen. Der jüngste Beitrag dazu ist eine Broschüre mit dem unspektakulären Titel „Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in Deutschland“. Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums trugen die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und das Öko-Institut den Sachstand der Endlagerforschung in Deutschland zusammen. Die beiden Institute sind die wichtigsten Forschungseinrichtungen zum Thema.

Das Fazit der Broschüre: Es gibt in Deutschland zwei potenzielle Gesteinsarten, in denen ein Endlager für stark strahlende radioaktive Abfälle errichtet werden könnte – Salz und Ton. Beide Wirtsgesteine sind auf ihre grundlegende  Eignung ausreichend untersucht, und auch für eine Bewertung der Sicherheit eines möglichen Standorts gebe es ausreichende Kenntnisse. Einig sind sich die Forscher, dass ein sicheres Endlager in tiefen geologischen Schichten errichtet werden muss, wo die Abfälle so sicher von der Umwelt abgeschlossen werden können, dass das Endlager nicht eine Million Jahre lang bewacht werden muss. Das Wirtschaftsministerium verschickte die Broschüre mit einem Begleitbrief, der die Forschungsergebnisse recht eigenwillig interpretierte. Die Errichtung eines Endlagers in Steinsalz sei mehr oder minder sofort möglich, heißt es in dem Brief.

Michael Sailer vom Öko-Institut, einer der Verfasser der Studie, sagte dem Tagesspiegel, es sei ihm „schon bewusst gewesen“, dass die Broschüre „von der einen oder anderen Seite vereinnahmt werden kann“. Jedes Wort hätten die Autoren deshalb „sorgfältig abgewogen“. Aber eine Botschaft ist ihm wichtig: Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, die Suche nach einem Endlager nicht voranzutreiben. „Man kann auch Gorleben auf seine Eignung als Standort bewerten, allerdings bin ich ein Befürworter eines Standortvergleichs.“ Seit Sailer als Vorsitzender des AK End nach einem „demokratischen Verfahren für eine Endlagersuche“ gesucht hat, plädiert er bei jeder sich bietenden Gelegenheit dafür, die demokratischen Defizite der Standortsuche in Gorleben durch einen Standortvergleich zu heilen. Er sagt aber auch immer wieder: „Wir brauchen ein Endlager. Und wir sollten den Prozess endlich in Gang bringen.“ Schließlich dauere es rund 30 Jahre bis ein solches Endlager in Betrieb genommen werden könnte.

Wolfram König, Chef des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), das für die Endlagerung eigentlich zuständig ist, ist irritiert. Vor allem, weil das Wirtschaftsministerium mit dieser Broschüre schon zum wiederholten Mal eine gutachterliche Beurteilung zur Eignung für Endlagerstandorte in Auftrag gegeben habe, für die es eigentlich nicht zuständig ist. König sagte dem Tagesspiegel: „Man kann nicht einfach dort weitermachen, wo man 1998 nach dem Moratorium aufgehört hat. Es bedarf zuvor einer gorlebenbezogenen sicherheitstechnischen Analyse nach dem Stand von Wisschschaft und Technik.“ Außerdem hält er es für falsch, das ganze Verfahren weiter nach dem alten Bergrecht, „und damit unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ durchzuziehen. Damit seien schon andere gescheitert, meint er. Zum Beispiel die USA im Bundesstaat Nevada bei Yucca Mountain: Das Projekt musste wegen des lokalen Widerstands aufgegeben werden.

Sailer sagte, die Erkundung in Gorleben sei auf ein Ein-Endlagerkonzept ausgerichtet gewesen. Derzeit ist jedoch in Schacht Konrad ein Endlager im Bau, das von 2013 an den schwach- und mittelradioaktiven Atommüll aufnehmen soll – und damit vom Volumen her die größte Menge. Wer in Gorleben weitermachen wolle, müsse das ganze Erkundungskonzept noch einmal überarbeiten.

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