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Durch dick und dünn: Robert Habeck (r.) hält an Patrick Graichen fest.

© dpa/Michael Kappeler

Update

Minister hält an Staatssekretär fest: Diese Erkenntnisse hat das Kreuzverhör von Graichen und Habeck gebracht

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit haben Habeck und sein umstrittener Staatssekretär versucht, für Transparenz in der Treuzeugen-Affäre zu sorgen. So verlief das Kreuzverhör.

| Update:

Patrick Graichen muss sich sputen, um seinen Minister nicht zu verlieren. Der Staatssekretär macht ein paar schnelle Schritte und schließt zu Robert Habeck auf. Seite an Seite gehen sie in Sitzungssaal 3S 001 im Reichstagsgebäude, wo ansonsten die SPD-Fraktion tagt. Der Raum der größten Fraktion im Bundestag ist an diesem Tag die Bühne für das Kreuzverhör von Graichen und Habeck.

Seit Tagen steht Habecks wichtigster Mann in der Kritik. Graichen, der im Wirtschaftsministerium die Energiewende vorantreiben soll, hatte Einfluss darauf genommen, dass sein Trauzeuge Michael Schäfer Geschäftsführer der bundeseigenen deutschen Energie-Agentur (Dena) wird.

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Inzwischen ist klar, dass das Bewerbungsverfahren neu aufgerollt wird und Schäfer nicht mehr zur Verfügung steht. Doch für Habeck und Graichen ist der Ärger damit noch lange nicht vorbei.

Wir hätten gerne öffentlich getagt.

Julia Klöckner, CDU, kritisiert das Vorgehen der Ampel.

Am Mittwoch kommt es im Bundestag zum politischen Showdown. In einer gemeinsamen Sitzung des Wirtschafts- und des Klimaschutzausschusses sind Graichen und Habeck vorgeladen - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Wir hätten gerne öffentlich getagt, denn hier geht es um eine Transparenzfrage“, sagt später Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der Union.

Auch Habeck, so erzählen es Teilnehmer danach, habe sich für eine öffentliche Sitzung ausgesprochen, doch dreimal verhindern die Stimmen der Ampel-Parteien das. Offenbar hatten sich SPD, Grüne und FDP vorab auf eine nicht-öffentliche Sitzung geeinigt.

Erst am Morgen hätten die Grünen dies ändern wollen. Doch SPD und FDP sperrten sich. „Im Politikmanagement muss man sich darauf verlassen, dass Absprachen funktionieren“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Reinhard Houben, danach. Man habe sich mehr Informationen für die Abgeordneten erhofft.

Graichen kannte die meisten Bewerber

Ein paar neue Erkenntnisse liefert Graichen tatsächlich in Saal 3S 001. Später wird sein Statement vom Wirtschaftsministerium veröffentlicht: „Ich habe gedacht, dass es genügt, wenn meine Stimme nicht den Ausschlag gibt und ich mich in der Findungskommission bei der Bewertung seiner Person zurückhalte“, sagte Graichen demnach und räumte seinen Fehler ein, den er bereue.

Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen nicht wegen dieses Fehlers zurücktritt.

Robert Habeck nach dem Ausschuss.

Teilnehmern zufolge soll Graichen im Verlauf der Sitzung eingeräumt haben, dass er der Findungskommission nicht mitgeteilt habe, dass Schäfer sein Trauzeuge wäre. Er habe Schäfer geduzt, aber auch drei weitere Bewerber.

Von den elf Kandidaten, die in der Endauswahl waren, habe er neun aus seiner früheren beruflichen Erfahrung als Agora-Direktor, einer Denkfabrik, gekannt. „Für mich war es insofern eine graduelle Abstufung, wen der Bewerber ich wie gut kannte“, sagte Graichen.

Das Netzwerk um Patrick Graichen
Das Netzwerk um Patrick Graichen

© Grafik: Tsp/Bartel | Fotos: picture alliance (4), Öko-Institut (2), imago images

Wegen des Vorgangs läuft inzwischen die Prüfung eines Disziplinarverfahrens. Und doch hält der grüne Wirtschaftsminister, der von Teilnehmern der Sitzung als „angefasst“ beschrieben wird, weiter an seinem Staatssekretär fest: „Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen nicht wegen dieses Fehlers zurücktritt“, sagte Habeck nach der Sitzung.

Auch er räumte ein, es sei ein Fehler passiert, doch Habeck kritisierte auch Äußerungen voll „Häme, Übertreibung und Unterstellungen“, die sein gesamtes Ministerium beleidigen würden.

Im Fokus: Robert Habeck nach der Ausschusssitzung.
Im Fokus: Robert Habeck nach der Ausschusssitzung.

© dpa/Kay Nietfeld

Tatsächlich war der Ton in der sogenannten Trauzeugen-Affäre in den vergangenen Tagen immer härter geworden. Die Opposition kritisiert nicht nur die Auswahl des Dena-Geschäftsführers, sondern sieht auch Vetternwirtschaft, weil Graichens Geschwister für das unabhängige Öko-Institut arbeiten, die Aufträge von der Bundesregierung erhalten. „Robert Habeck ist der Pate des Graichen-Clans“, wetterte zuletzt Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe.

Die Grünen schäumen, fordern eine Entschuldigung von Dobrindt. „Er stellt den Minister auf eine Stufe mit Mördern und Verbrechern“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic. Sie hält eine rote Linie für überschritten und beobachtet zunehmend, dass die CSU sich in Richtung AfD bewege. „Aus Sicht der CSU scheint der Feind grün und nicht braun zu sein.“

Doch in einer aktuellen Stunde kurz nach dem Ausschuss, die ebenfalls von der Union beantragt wurde, müssen Graichen und Habeck am Mittwoch weiter einstecken. „Angst und Schrecken verbreitet dieser Minister im ganzen Land“, sagt CDU-Generalsekretär Mario Czaja in Richtung Habeck. Sein Ministerium habe den Bezug zur Realität verloren. Beim Heizungs-Gesetz, der Gas-Umlage und dem Atom-Ausstieg hätten Habeck und Graichen ideologisch gehandelt. Czaja forderte den Rauswurf Graichens.

Da hatte Habeck längst erklärt, Graichen wegen seines Fehlverhaltens bei der Besetzung einer wichtigen Stelle nicht entlassen zu wollen. Später warf er der Opposition erneut vor, „mit einer Härte und fast Böswilligkeit Unterstellungen, Beleidigungen, teilweise Lügen“ zu verbreiten. „Und da bin ich nicht bereit, Menschen zu opfern, um dieser Kampagne nachzugeben“, sagte er am Mittwochabend in den ARD-„Tagesthemen“.

Von einem Untersuchungs-Ausschuss, den CDU-Chef Friedrich Merz noch am Dienstag ins Spiel gebracht hatte, ist indes nichts mehr zu hören. Lediglich einen weiteren Ausschuss mit Habeck und Graichen fordern die Konservativen - dann aber öffentlich. Für Habeck ist die Causa Graichen noch nicht ausgestanden.

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