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Politik: Gratuliert wird erst zum Schluss

„Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt“: Die Welt stellte sich bereits am Tag nach der Wahl auf vier weitere Jahre George W. Bush ein

George W. Bush bleibt vier weitere Jahre im Amt, dies war nach einem anfänglichen Kopfan-Kopf-Rennen nach mitteleuropäischer Zeit erst am frühen Mittwochabend klar. Die Reaktionen auf den Wahlausgang waren am Mittwoch unterschiedlich; in jedem Fall stellten sich Regierungsvertreter weltweit bereits vorher auf eine weitere Zusammenarbeit mit Bush ein. Eine Übersicht:

Europa: Mit Zurückhaltung reagierten am Mittwoch in Frankreich Präsident Jacques Chirac und die Regierung von Jean-Pierre Raffarin zunächst auf die Mitteilung aus dem Weißen Haus, Bush könne den Sieg bei der Präsidentenwahl für sich beanspruchen. Chirac ließ am Mittag über seinen Regierungssprecher Jean-François Copé verbreiten, dass er dem Wahlsieger erst nach der offiziellen Bekanntgabe des Ergebnisses gratulieren wolle. Deutlicher war schon aus einer Erklärung des französischen Außenministers Michel Barnier herauszulesen, wie Frankreich einen möglichen Wahlsieger Bush sieht. Barnier räumte ein, dass die USA die führende Supermacht darstellten. Allerdings könnten die USA „nicht davon ausgehen, dass sie die Welt alleine entwerfen, lenken und beleben können“. „Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt“, erklärte der Außenminister weiter. Deutlich mehr Nähe zu US-Präsident Bush ließ hingegen am Mittwoch Polens Präsident Aleksander Kwasniewski erkennen, der zufrieden auf das sich abzeichnende Ergebnis reagierte. Polen hat im Gegensatz etwa zu Frankreich und Deutschland Soldaten in den Irak geschickt. Aus polnischer Sicht, erklärte der Sozialdemokrat Kwasniewski, sei das Wahlergebnis eine „gute Neuigkeit“. Eine zweite Amtszeit Bushs würde die Fortsetzung sehr guter bilateraler Beziehungen bedeuten, sagte er weiter: „Bush ist ein guter Mann. Er kennt Polen und schätzt es, erkennt unser Engagement in Irak an.“ ame/tro

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Russland: Die Präsidentenwahl war auch in Russland am Mittwoch Medienthema Nummer 1 – aber selten ohne Häme. Vor allem staatsnahe Medien zogen das amerikanische Wahlmänner-System als Beleg für Demokratiedefizite auf der anderen Seite des Atlantiks heran. Die kritische Berichterstattung in den russischen Medien hat vor allem den Charakter einer Retourkutsche – Washington hatte in der Vergangenheit immer wieder moniert, dass die Opposition bei russischen Wahlen massiv behindert wird; auch Manipulationen bei der Stimmenauszählung waren kritisiert worden. Aus seinen Präferenzen machte Wladimir Putin am Mittwoch keinen Hehl: Der Kremlchef erklärte, er freue sich auf die absehbare Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Bush. „Falls er wiedergewählt ist, gratulieren wir ihm und freuen uns, dass der Dreck, mit dem man ihn beschmutzen wollte, nicht an ihm hängen geblieben ist“, sagte Putin. Der russische Präsident hatte schon im Oktober erklärt, eine Niederlage Bushs sei gleichbedeutend mit dem Sieg der Al Qaida. win

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Türkei: Die Türkei richtete sich schon vor der Wahl darauf ein, weitere vier Jahre mit US-Präsident Bush zurechtkommen zu müssen. Ein durchaus gemischtes Vergnügen: Einerseits gilt Bush als verlässlicher Unterstützer der Türkei, der das Land zwischen Bosporus und Ararat als geostrategisch sehr wertvoll schätzt – während der Gegenkandidat der Demokraten, John Kerry, ein unbeschriebenes Blatt wäre und mit einigen Äußerungen zur Armenier-Frage für Unmut sorgte. Andererseits machen fast alle Türken Bush für die gefährliche Lage im Nachbarstaat Irak verantwortlich. Alle Fernsehsender in der Türkei gingen am Mittwoch fest von einem erneuten Wahlsieg Bushs aus. Außenpolitik-Experten wie der Ex-Diplomat Ilter Türkmen machten in Talkrunden im Fernsehen darauf aufmerksam, dass der Irak auch in Bushs zweiter Amtszeit ein Schwerpunkt amerikanischer Politik bleiben werde. güs

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Arabische Welt: Mit Kommentaren hielt man sich am Mittwoch in der arabischen Welt zunächst zurück. Die palästinensische Zeitung „Al Hayat al-Jadida“ schrieb, „es kommt auf das Gleiche heraus, ob Bush im Weißen Haus bleibt oder Kerry gewinnt. Die offizielle amerikanische Haltung zum Palästinakonflikt wird sich nicht verändern.“ Die in London produzierte pan-arabische Tageszeitung „Al-Hayat“ erklärt ihren Lesern dagegen, „die Araber werden feststellen, dass Kerry noch schlimmer ist als Bush, solange die Araber zufrieden damit sind, gedemütigt, ignoriert und an den Rand gedrängt zu werden.“ an

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