zum Hauptinhalt

Griechenland: Bis zum nächsten Fall

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf ein Rettungsnetz für Griechenland geeinigt. Wie kann dem Land geholfen werden?

In der Stunde der Krise zeigt Europa Solidarität mit Griechenland. Das ist die zentrale Botschaft des EU-Sondertreffens am Donnerstag in Brüssel. Um das Vertrauen der Finanzmärkte in den Euro wiederherzustellen, sind die EU-Staaten notfalls zu Hilfen für das schuldengeplagte Griechenland bereit – auch um einen Dominoeffekt bei anderen finanzschwachen Mitgliedern der Eurozone zu verhindern. Details sollen bei einem EU-Finanzministertreffen am kommenden Montag und Dienstag geklärt werden.

Sind direkte EU-Hilfen für Griechenland überhaupt möglich?

Nein. Die No-bail-out-Klausel in Artikel 125 des Lissabon-Vertrages verbietet, dass ein Mitgliedstaat der Eurozone für die Schulden eines anderen haftet. Die Schuldenmacher müssen ihre Suppe selbst auslöffeln. Die Klausel schließt aber nicht aus, dass zahlungskräftigere EU-Staaten in einer Notlage wie im Fall Griechenlands Solidarität zeigen. Nach Ansicht des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger gibt es zu Hilfen, wie sie sich beim EU-Gipfel abzeichneten, keine Alternative. „Alles andere wäre ein Spiel mit dem Feuer“, sagte er dem Tagesspiegel. Das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung riet den Mitgliedstaaten der Eurozone, angesichts der „Hypernervosität“ der Finanzmärkte selbstbewusst zu sein. Den Märkten und Ratingagenturen, die wesentlich zur Finanzkrise beigetragen hätten, müsse „vermittelt werden, dass sie die Europäische Währungsunion nicht kaputtmachen“ dürften.

Welche Hilfen sind in der Diskussion?

Um Ländern in Zahlungsschwierigkeiten zu helfen, wurde der Internationale Währungsfonds (IWF) gegründet. Er hat 2009 auch die in Finanznot geratenen Ungarn unterstützt. Im Falle Griechenlands, wo mit der Gemeinschaftswährung Euro bezahlt wird, gelten IWF-Kredite aber als unerwünscht. Der Fonds verknüpft seine Hilfe stets mit strikten Auflagen und würde so indirekten Einfluss auf die unabhängige Europäische Zentralbank (EZB) ausüben. Als Berater ist der IWF aber gefragt. Und auch Kredite sind noch nicht vom Tisch, da diese am ehesten mit den europäischen Verträgen vereinbar wären.

Ins Spiel gebracht wird ein eigener europäischer Währungsfonds. Wie konkret ist das?

Neben anderen hat der SPD-Finanzexperte im Europaparlament, Udo Bullmann, die Schaffung solch einer Institution angeregt: „Ein europäischer Währungsfonds könnte Spekulanten in Zukunft das Wasser abgraben.“ Die Vergabe von Krediten müsse dabei an klare wirtschafts- und beschäftigungspolitische Bedingungen geknüpft werden. Die Höhe der Zinsen sollte sich nicht an den internationalen Märkten, sondern an einem europäischen Rating orientieren. Die europäischen Grundsatzverträge müssten dafür Experten zufolge nicht geändert werden. Der Aufbau solch einer Organisation könnte jedoch erst mittelfristig erfolgen.

Wie könnte schneller geholfen werden?

Raschere Hilfe verspräche eine Euro-Anleihe, auch Euro-Bonds genannt. Um ihre Schulden zu finanzieren, geben Staaten regelmäßig Staatsanleihen heraus. In Deutschland sind das die Bundeswertpapiere, die Käufern zurzeit einen Zinssatz von drei Prozent bringen. Die deutsche Anleihe gilt als seriösestes Papier. Wer griechische Anleihen erwirbt, dem muss Athen einen Risikoaufschlag von derzeit 350 Basispunkten zahlen, sprich einen Zinssatz von 6,5 Prozent. Um Griechenland zu helfen, wenn es im April und Mai seine ausstehenden Verbindlichkeiten umschulden muss, könnte eine Euro-Anleihe herausgegeben werden, die solvente Zahler wie Deutschland und Frankreich gemeinsam emittieren. Das Geld würde nach Athen überwiesen. Für Deutschland ergäben sich wahrscheinlich Kosten in Milliardenhöhe, weil die Zinskosten dieser Anleihe zumindest geringfügig über den Bundeswertpapieren lägen. Zudem würde sich der gesamte deutsche Schuldendienst verteuern, weil Berlin einen Teil des griechischen Risikos übernähme.

Welche Alternativen gibt es?

Den Griechen könnte auch mit Garantien geholfen werden. Im Gegensatz zu direkten Krediten flösse erst einmal kein Geld; es würde vielmehr für Griechenland gebürgt werden. Dennoch müssten für den Fall griechischer Zahlungsunfähigkeit Rückstellungen auch im Bundeshaushalt gebildet werden. Unter anderem die Commerzbank empfiehlt ein solches Modell. In Kreisen der Bundesregierung heißt es jedoch, für mögliche Finanzhilfen sei der „technische Durchführungsweg sekundär“. Für die gegen den Euro und bestimmte Staatsanleihen spekulierenden Märkte sei „das Signal entscheidend“.

Ähnliches gilt für bilaterale Hilfen. Auch das Bundesfinanzministerium bereitet sich auf ein solches Szenario vor. Dies könnte die Bereitstellung von Krediten der halbstaatlichen Förderbank KfW bedeuten. Die meisten EU-Staaten haben unterschiedliche Kriterien, die für solche Hilfen gelten. Berlin müsste dann selbst in Athen auf einen strikten Sparkurs pochen. Ob diese unangenehme Aufgabe nicht der eher anonymen EU oder dem IfW überlassen wird, ist Teil der Debatte. Zugleich hat das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits vor Jahren sehr hohe Hürden für solche Hilfen errichtet.

Warum zögert Deutschland eher mit einer Unterstützung Griechenlands?

Als größte Volkswirtschaft in der EU würde Deutschland einen großen Teil eines Rettungspakets für Griechenland schultern müssen. Angesichts des Sparkurses bei Bund, Ländern und Kommunen lässt es sich zudem schwer vermitteln, warum deutsche Steuerzahler durch Hilfen an Athen zusätzlich belastet werden sollen. Außerdem dürfte Deutschland allein schon wegen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse kaum in der Lage sein, Griechenland in größerem Umfang zu helfen. Und es gibt historische Gründe, warum aus Sicht der Bundesregierung zunächst die Griechen selbst beim Schuldenabbau in der Pflicht sind. Die Angst, dass der Euro zur Weichwährung wird, ist gerade hierzulande wegen der Hyperinflation im vergangenen Jahrhundert weit verbreitet. Gelingt es Griechenland und den anderen krisengeschüttelten Euro-Mitgliedstaaten nicht bis 2012, ihre Haushalte aus eigener Kraft wieder ins Lot zu bringen, dürften sich im Nachhinein all jene bestätigt fühlen, die vor einem Jahrzehnt davor gewarnt hatten, die stabile D-Mark aufzugeben.

Was will Griechenland selbst tun?

Nach einem ehrgeizigen Plan von Ministerpräsident Giorgos Papandreou soll die griechische Defizitquote, die 2009 auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hochgeschnellt war, 2012 wieder auf 2,8 Prozent sinken. Dazu hat Finanzminister Giorgos Papakonstantinou einen Einstellungsstopp und Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst angekündigt. Zudem will die Regierung mit einer Steuerreform Besserverdienende und Immobilienbesitzer stärker belasten und der Steuerhinterziehung den Kampf ansagen.

Die EU-Kommission und die EZB bezweifeln, dass dies ausreicht – sie fordern weitere Sparanstrengungen. Seit die Kommission den Athener Haushalt in der vergangenen Woche unter ihre Kontrolle gestellt hat, muss die Regierung mindestens alle drei Monate in Brüssel einen Bericht über die Fortschritte beim Sparen abliefern. Würde Griechenland nun finanzielle Hilfen in Anspruch nehmen, dürften sich diese Kontrollen noch verschärfen. So soll ein EU-Sonderbeauftragter künftig die Fortschritte Athens überwachen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will der „Rheinischen Post“ zufolge, dass der EZB-Vizepräsident Lucas Papademos dies übernimmt.

Wie gefährlich ist die Krise für Europa?

Der schlimmste Fall, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone, gilt als höchst unwahrscheinlich – schon deshalb, weil Spekulanten dann weitere Mitgliedstaaten ins Visier nehmen dürften. Dennoch birgt die Krise hohe Risiken. Insgesamt schulden die Griechen in- und ausländischen Gläubigern – Staaten, Banken, privaten und institutionellen Investoren – rund 290 Milliarden Dollar. Bei der US-Investmentbank Lehman Brothers, deren Pleite die Welt ins Finanzchaos stürzte, waren es nur 140 Milliarden, wie Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer ausgerechnet hat. Die deutschen Banken gehören zu den größten Kreditgebern. Mehr als 43 Milliarden Dollar haben die Institute dem Mittelmeerstaat geliehen, wie aus einer Statistik der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hervorgeht. Würde Athen den Schuldendienst einstellen, wären die Folgen auch hierzulande spürbar – die Banken müssten zumindest einen Teil ihrer Forderungen abschreiben und hätten weniger Geld, um etwa Kredite auszureichen. Auch würden sie weniger Steuern zahlen. Doch Athen braucht noch viel frisches Geld in diesem Jahr, um alte Kredite abzulösen – auf bis zu 70 Milliarden Dollar schätzen Analysten den Bedarf.

Welche Rolle spielen Spekulanten?

Hedgefonds und Finanzinvestoren haben sich in den vergangenen Wochen auf den Euro gestürzt und den Wertverlust der Gemeinschaftswährung (vor allem zum Dollar) beschleunigt. „Die Investoren kommen nicht aus der Realwirtschaft“, sagt Christian Apelt, Devisenstratege der Landesbank Hessen-Thüringen. Ihre Spekulationsvehikel sind „synthetische“ Finanzprodukte (Derivate), die auch in der Bankenkrise zum Einsatz kamen: Swaps, Forwards, Optionen und Futures. Ihr Vorteil: Mit geringem Einsatz lässt sich – bei enormem Risiko – eine Menge Geld verdienen. Im weitgehend unregulierten Handel zwischen Banken und an organisierten Terminmärkten spekulierten die Finanzjongleure zuletzt auf den weiteren Kursverfall des Euro. Weil der größte Teil dieser Geschäfte im Interbankenhandel stattfindet, lässt sich das Volumen schwer schätzen. Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich oder der amerikanischen Terminmarkt-Aufsichtsbehörde CFTC zeigen aber, dass die Short-Positionen (also die Spekulation auf fallende Kurse) massiv gestiegen sind. „Das ist das Spiel der Märkte“, sagt Apelt. „Vergangenes Jahr ging es gegen den Dollar, dieses Jahr sind die Europäer die Bösen.“ Dabei zählten keineswegs nur die harten, realwirtschaftlichen Fakten. „Oft ist die Wahrnehmung der Märkte wichtiger – und da können noch einige Wellen kommen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false