zum Hauptinhalt

Griechenland-Hilfe: Merkels Gegner

In der schwarz-gelben Koalition regt sich Widerstand gegen den EU-Rettungsschirm und das geplante Hilfspaket. Wer widerspricht der Bundeskanzlerin?

Angela Merkel steht vor der vielleicht schwersten Bewährungsprobe ihrer Kanzlerschaft. Wenn der Bundestag Ende September über weitere Griechenland-Hilfen und die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms abstimmt, muss Merkel eine eigene Mehrheit aufbieten. Gelingt es ihr nicht, das schwarz-gelbe Regierungsbündnis in dieser entscheidenden Frage geschlossen hinter sich zu bringen, könnte dies den Anfang vom Ende ihrer Kanzlerschaft einläuten. Die Regierungschefin wird deshalb schon aus Gründen des Machterhalts alles tun, um eine Abstimmungsniederlage zu verhindern und die Gegner in den Koalitionsfraktionen zu überzeugen.

Wen muss Angela Merkel überzeugen?
Die Skepsis in den eigenen Reihen gegenüber immer neuen Hilfsmaßnahmen für notleidende Euro-Länder ist groß. Das hat nicht nur die Forderung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gezeigt – sie hatte zu Wochenbeginn vorgeschlagen, die europäischen Institutionen sollten sich ihre Kredite etwa durch Goldreserven oder Industriebeteiligungen absichern lassen. Nun hat auch noch der höchste Mann im Staat, Bundespräsident Christian Wulff, dem verbreiteten Unbehagen in der Bevölkerung eine Stimme verliehen.

Und dann ist da noch der große Europäer Helmut Kohl, der seinen Nachfolgern im Amt des Bundeskanzlers, Gerhard Schröder und Angela Merkel, in Sachen Außenpolitik die Leviten liest.

Was geht Helmut Kohl gegen den Strich?

In einem Interview mit der Zeitschrift „Internationale Politik“ wirft Kohl seinen Nachfolgern vor, sie handelten ohne inneren Kompass, ohne klare Perspektiven für Europa und ohne Bewusstsein für die Verbundenheit Deutschlands und der Vereinigten Staaten. „Deutschland ist keine berechenbare Größe mehr – weder nach innen noch nach außen“, kritisiert Kohl und attestiert seinen Nachfolgern, sie würden, anders als er, nicht von Werten und Prinzipien geleitet. Beispielhaft für dieses Versagen der Politik ist für Kohl unter anderem eine „Orientierungslosigkeit“ bei der Euro-Rettung.

Dass der Altkanzler sowohl innen- als auch europapolitische Entscheidungen der Merkel-Regierung prinzipiell kritisiert, ist nicht neu. Erst vor wenigen Wochen berichtete der „Spiegel“, Kohl habe Merkel gegenüber Vertrauten vorgeworfen: „Die macht mir mein Europa kaputt.“ Der Altkanzler dementierte die Äußerung, Besucher bestätigten aber Kohls kritische Haltung.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Kritik der Bundespräsident übt und wer die schärfsten Kritiker in den Fraktionen sind.

Welche Kritik übt der Bundespräsident?

Seine Skepsis hinsichtlich der Anleihenkäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) hat Wulff bereits geäußert. Dennoch traf sie am Mittwoch, geäußert bei einer Tagung von Wirtschaftsnobelpreisträgern im bayerischen Lindau, erneut mit Wucht. Und das liegt vor allem daran, dass es immer mehr Bürger, Wissenschaftler aber auch Politiker gibt, die daran zweifeln, dass die gegenwärtige Euro-Rettungspolitik (gestützt durch die EZB mit ihren aktuellen Aufkäufen) am Ende erfolgreich sein wird. Schließlich besteht die Gefahr, dass die klammen Schuldenländer, wie Griechenland, Portugal und Spanien, die Zeit, die ihnen durch die Rettungspakete verschafft wird, nicht zur Konsolidierung ihrer Haushalte und zu Reformen nutzen. Dann wäre das Geld der Euro-Zahlerländer, allen voran Deutschland, verloren. Der Vorsitzende der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, sagte zu Wulffs Kritik, die Sorge um die Geldwertstabilität sei verständlich. „Man darf Risiken aber auch nicht herbeireden.“

Wer sind die schärfsten Kritiker in den Fraktionen?

Der prominenteste ist Wolfgang Bosbach (CDU). Der stellvertretende Unionsfraktionschef und Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages hatte schon am Wochenende erklärt, die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht zu unterstützen: „Wenn sich an den jetzigen Plänen nichts Wesentliches ändert, kann ich nicht zustimmen.“ Bosbach befürchtet unter anderem, „dass wir mit dem Volumen des Euro-Stabilitätsmechanismus ein Risiko eingehen, das ich für unvertretbar halte, solange es keine Regeln für Staatsinsolvenzen gibt“. Außerdem sei es ausgeschlossen, dass Griechenland seine Schulden jemals werde zurückzahlen können.

In der Sondersitzung der Unionsfraktion am Dienstag äußerten nach Teilnehmerangaben neben Bosbach auch die Abgeordneten Norbert Brackmann, Carsten Linnemann, Manfred Kolbe und Klaus-Peter Willsch schwere Bedenken. Als ausgeschlossen gilt außerdem, dass der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler zustimmen wird; schließlich hat er vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen das erste Griechenland-Paket sowie den ersten Rettungsschirm geklagt. Insgesamt wird die Zahl derjenigen Unions- und FDP-Abgeordneten, die der Kanzlerin am Ende tatsächlich die Gefolgschaft verweigern könnten, auf mindestens zwei Dutzend geschätzt.

Was Bosbach und die anderen Skeptiker besonders aufbringt, ist der Verdacht, dass der Bundestag in Zukunft nicht mehr viel zu sagen hat, wenn der erweiterte Rettungsschirm EFSF im September erst einmal beschlossen ist. Darauf deutet unter anderem ein Vertragsentwurf hin, den Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag den Fraktionsspitzen zugesandt hat. Danach sollen die Abgeordneten den EFSF dazu ermächtigen, ohne weitere Abstimmung der nationalen Parlamente Staatsanleihen klammer Euro-Länder aufzukaufen sowie Vorsorgekredite zu vergeben und Banken zu retten. Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch: „Solange der EFSF so konstruiert ist, dass das deutsche Parlament sein Budgetrecht nicht wahrnehmen kann, sehe ich keine eigene Mehrheit.“

Wie sicher kann Merkel mit einer eigenen Mehrheit rechnen?

Glaubt man den Fraktionschefs von Union und FDP, Volker Kauder (CDU) und Rainer Brüderle (FDP), dann steht Merkels Mehrheit Ende September bombensicher. Den Eindruck zumindest erwecken beide in der Öffentlichkeit. Hinter den Kulissen werden die kritischen Stimmen jedoch nervös gezählt. Skeptische Abgeordnete rechnen damit, dass in den nächsten Wochen von den Fraktionsführungen Druck auf sie ausgeübt werden wird und sie sich dem Vorwurf aussetzen müssen, mit ihrem Nein nicht nur an einem Bruch der Koalition sondern sogar am Zusammenbruch Europas Schuld zu sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false