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Sahra Wagenknecht greift die Griechenland-Einigung scharf an.

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Update

Griechenland-Krise: Linke: Bundesregierung hat Syriza erpresst

"Wer beim Referendum für ein Nein war, kann jetzt nicht Ja sagen", erklären die Linken-Politiker Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zum Brüsseler Griechenland-Kompromiss.

Von Matthias Meisner

Die beiden stellvertretenden Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht haben der Bundesregierung vorgeworfen, die von Alexis Tsipras geführte griechische Regierung "gnadenlos erpresst" zu haben. "Dass Syriza diesem Diktat trotzdem zustimmt, ist nicht ihr freier Wille", heißt es in einer politischen Bewertung der beiden Politiker zum von der EU geplanten neuen Rettungspaket.

"Wir müssen die Erpressung, die insbesondere seitens der deutschen Regierung stattgefunden hat, angreifen und in ihren verheerenden Wirkungen - auch für die deutschen Steuerzahler - attackieren", heißt es in dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt. Namentlich genannt werden Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU).

Wagenknecht fügte nach der Einigung auf dem Eurogipfel in einer Twitter-Mitteilung hinzu: "Erpressung der Bundesregierung erfolgreich: Griechenland bekommt neue Kürzungen diktiert und der deutsche Steuerzahler neue Risiken in Milliardenhöhe." Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone hatten sich am Montagmorgen auf die Aufnahme von Verhandlungen über ein weiteres Rettungspaket für Griechenland geeinigt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte anschließend, es werde keinen Grexit geben.

In einer Pressemitteilung erklärte Wagenknecht zum Brüsseler Verhandlungsergebnis: "Mit Angela Merkel, Wolfgang Schäuble und Sigmar Gabriel als Berlin-Troika hat Europa keine Zukunft. Erneut sollen Steuermilliarden für die Fortsetzung einer absurden und gescheiterten Politik verschleudert werden." Die neuen "Hilfspakete" dienten "wieder nur der Zahlung alter Schulden mit neuen Schulden und der Stützung der griechischen Banken", der wirtschaftliche Niedergang und die soziale Misere in Griechenland würden sich unter den Kürzungsprogrammen absehbar weiter verschärfen. "Das Ganze ist nichts als ein neuer Akt verantwortungsloser Konkursverschleppung."

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Wagenknecht und auch Bartsch, die im Oktober die Linke-Fraktionsführung als Nachfolge-Duo für Gregor Gysi übernehmen wollen, halten den Brüsseler Kompromiss, der in einer Bundestags-Sondersitzung voraussichtlich in der kommenden Woche bestätigt werden muss, für nicht zustimmungsfähig. "Wer bei Referendum für ein Nein war, um weiteren Kürzungsdiktaten eine Absage zu erteilen, kann jetzt nicht Ja sagen!", schreiben die beiden Linken-Politiker. Bartsch und Wagenknecht hatten bereits Ende Juni in einem gemeinsamen Papier scharfe Kritik an Merkels Griechenland-Politik geäußert. Die deutsche Linke versteht sich als Partnerpartei von Syriza.

In der Analyse der beiden Politiker vom Sonntag heißt es weiter, die von der griechischen Regierung vorlegte Liste, die das griechische Parlament vergangene Woche mit den Stimmen der Opposition als Verhandlungsgrundlage billigte, entspreche in allen zentralen Fragen exakt dem "Vorschlag" der Institutionen, den 61 Prozent der Griechen im Referendum abgelehnt hatten. "Dass Schäuble und anderen das immer noch nicht ausreicht, zeigt nur, dass es ihnen nie um eine Einigung ging." Die beiden Linke-Politiker forderten erneut einen Schuldenschnitt, wie ihn Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten habe.

In deutlichen Worten kritisieren Bartsch und Wagenknecht das geplante Einnahmeplus durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer in Griechenland auf 23 Prozent für die meisten Produkte, für die vorher der ermäßigte Satz von 13 Prozent gegolten hatte. Diese Maßnahmen, die auch alle Lebensmittel außer den Grundnahrungsmitteln betreffe, "verteuern nicht nur die Lebenshaltungskosten des Bevölkerung erheblich, sondern bedeuten mehr Armut und eine erneute Strangulierung der Nachfrage auf dem Binnenmarkt". Auch der einzige noch halbwegs florierende Wirtschaftszweig, die Tourismusbranche werde getroffen.

Bei den Renten bleibe es mit der Einführung der Rente mit 67 und der Verringerung der Möglichkeit für die Frühverrentung, obwohl letztere quasi als Ersatzsozialhilfe fungiere. Die Erhöhung der Beiträge für die Gesundheitsversorgung von vier auf sechs Prozent bedeute eine faktische Rentenkürzung.

Fazit der beiden Linke-Abgeordneten: "Selbst eine einfache Annahme der griechischen ,Reformliste' ohne weitere Verhandlungen und Verschärfungen liefe bereits auf die Fortsetzung des fatalen Giftcocktails von Kürzungspolitik und sich verschärfender Wirtschaftskrise hinaus, der in den letzten Jahren ein Viertel der griechischen Wirtschaftskraft zerstört und die griechischen Schulden immer weiter erhöht hat. Die griechische Tragödie ginge so erneut in die Verlängerung."

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